Pessimistenhäuser

werden gar nicht erst fertig gestellt, das ist auch nicht vorgesehen, die einzige Mauer, die errichtet wird, endet auf unterschiedlichen Höhen, soll aber nicht unvollendet wirken, sondern eher verfallen oder zerstört. Pessimisten gehen davon aus, dass das Haus sowieso nicht lange stehen bleibt, dass es durch ein Feuer zerstört wird oder durch einen Orkan, ein Flugzeug könnte abstürzen und genau dieses Haus treffen, Schimmelpilz könnte den inneren Verfall herbeiführen, Marder könnten sich mit Bibern verbünden und Isolierung, Latten und anderes verwertbares Material für den Damm- oder Nestbau holen und so das Gebäude nach und nach zersetzen. Auch plötzliche Armut, Spielsucht, Trennung und ganz allgemein die Vergänglichkeit lassen einen Hausbau als Risiko erscheinen, als lächerliches Unterfangen, das Leben, vor allem das eigene, irgendwie zu verankern, etwas Handfestes zu hinterlassen. Also lieber gleich das Geld sparen, die unvollendete Variante wählen, die wegen der bisher sehr wenigen Anbieter nicht billig, aber trotzdem weitaus weniger kostspielig ist. Grüne Hecken sichern die Grundstücksgrenze, empfehlenswert sind hier allerdings Brombeer- und Himbeerhecken, um die Vitaminversorgung in Notzeiten zu gewährleisten, geschlafen werden sollte in Zelten des UN-Flüchtlingswerkes, so spart man sich im Katastrophenfall den Kampf um ein solches und hat es auch schon mal aufgebaut. Durch die ansprechende Fassadengestaltung wirkt der Wohnort trotzdem nicht schäbig, sondern britisch elegant und romantisch, und er flüstert jedem zukunftsgläubigen Passanten mit der Bauzeichnung für ein Einfamilienhaus im Kopf zu, was für ein dummer, ignoranter, naiver Optimist er doch ist, der irgendwann nur noch mit dem Notwendigsten am Leibe vor der Scheintür stehen und um einen heißen Tee betteln wird.