Philosophie des Flachmanns

Ich hole Brötchen am Kiosk und einen Stadtanzeiger, der angenehm schlichte Lektüre zum Frühstück ist.
Der Kunde nach mir ordert einen Flachmann, murmelt irgendwas mir nicht Verständliches, die Dame hinter dem Tresen aber weiß Bescheid; der Mann ist nicht neu für sie, der wird seine Bestellung nicht zum ersten Mal aufgegeben haben.
Die Verkäuferin schiebt die kleine Flasche mit der klaren Flüssigkeit, vielleicht Wodka, über den Tisch, der Kunde zahlt.
Ich denke über das Phänomen nach.
Warum kauft ein Mensch an einem Kiosk, der teurer ist als ein Supermarkt, einen Flachmann, der - in der Menegenrelation -  teurer ist - auch im Supermarkt - als eine ganze Flasche?
Es sind wohl immer wieder die Botschaften, um die es dem Konsumenten geht:
1.Ich kaufe eine kleine Flasche, weil die kleiner ist, als eine große.
2.Ich trinke gern, aber in Maßen.
3.Ich frühstücke dafür nicht.
4.Ich habe alles unter Kontrolle, denn ich bin groß, die Flasche aber klein.
5.Ich bin keine Flasche.
6.Ich bin verdammt keine Flasche, auch wenn mein Chef das gesagt hat, meine Frau und meine Eltern. Und Günther auch.
7.Ich trinke nicht.
8.Ich habe alles unter Kontrolle, aber ich kann mir eine große Flasche nicht leisten.
9.Früher haben die Handwerker auch gesoffen. Und das während der Arbeitszeit.
10.Ich bin zu früh abgestillt worden.
11.Dafür rauche ich nicht viel.
12.Wenn ich trinke, dann nur in kleinen Mengen.
13.Wenn ich kleine Mengen Alkohol kaufe, denkt Elfi vom Kiosk, dass ich nur in kleinen Mengen Alkohol kaufe.
14.Ich trinke weniger, weil nicht mehr in der Flasche ist.
15.Morgens zu trinken, ist besser, als abends.
16.Ich frühstücke dafür nicht.
17.Ich bin kein Trinker.

Verstehen wir also die Botschaften! Zusammengefasst lässt sich sagen: Wer morgens einen Flachmann in einem Kiosk kauft, will letztlich in Ruhe gelassen werden. Denn was interessiert uns Brötchenkäufer, wie groß der Flachmann ist, was der Käufer frühstückt, wie es um seine Verwandten bestellt ist und warum er einen oral-rezeptiven Nachholbedarf hat.
Nichts!
Ich jedenfalls frühstücke. Auch wenn die Brötchen teuer geworden sind. Warum kaufe ich kein Brot? Das Brötchen ist der Flachmann des Bäckers.