Günter Krass: Frau beim Vorbeischwimmen auf Schemel (3)


Neulich schwamm ich unter Wasser und traf auf eine Frau. die auf einem Schemel hockte und irgendwie ein rosa Ei gelegt hatte, oder man hatte es unter sie gelegt.
Sie saß eher verkrampft und schien auf einer Tastatur zu tippen, war an Schläuche verschlaucht und hatte eine Art Atemmaske im Mund und eine Taucherbrille, die ihr ein surrealistisches Aussehen gaben.
Sie war vollkommen unbekleidet und sich dessen wohl nicht bewusst, denn sie saß konzentriert und in sich versunken auf dem Schenkel, unter dem ein rosa Ei saß oder schwebte oder schwamm, das konnte ich nicht erkennen.
Ich dachte im ersten Moment, ich müsse ihr helfen, doch dann sah ich einige dünne Wesen in ihrer Nähe, so wie man sich Geister vorstellt, die man vor dem Eintüten die Luft abgesaugt hatte.
Ich beschloss, nicht weiter zu fragen, denn mir selbst ging gerade die Luft aus, und man soll ja anderen nicht helfen, wenn man selbst in Gefahr kommt dadurch eben.
Schade.
Die Frau mit den Kabeln sah eigentlich ganz gut aus und ich hätte sie gern auf einen Kaffee oder eine Latte eingeladen. Unter Wasser ist das aber schwierig, denn man bekommt kaum Luft und wenn man den Mund aufmacht ohne auszuatmen, dann strömt Wasser in den eigenen Körper und man wird vielleicht überflutet.
Trotzdem fand ich sie nett, obwohl sie mich gar nicht bemerkt hatte.
Die dünnen Wesen aber versuchten Kontakt mit ihr aufzunehmen durch Handzeichen, obwohl sie keine Hände hatten, aber irgendwie schafften sie es, mich aufmerksam zu machen. Sie formten Hände und zeigten mir den Mittelfinger, als wollten sie sagen: Des Rätsels Lösung liegt in der Mitte. Oder: Eine Hand wäscht den Mittelfinger der anderen Hand, was ja bekanntlich ein altes Sprichwort ist.
Ich schwamm dann doch weiter.