Gesichter sehen

Überall sah Rob Gesichter und Köpfe, selbst in der Schnittfläche gefällter Bäume.
Was mag in diesen Köpfen vorgehen, fragte er sich und überlegte, wie viel Jahre wohl dieses Gesicht im Bauminneren verharrt hatte, um endlich durch die Motorsäge ans Licht zu kommen?
Wenn er genauer hinsah, dann ähnelte das Baumgesicht einem älteren Fräulein, denn das war sie ja wohl auf jeden Fall, weil sie den Baum bisher nicht verlassen hatte, es ähnelte einem älteren Fräulein, dessen Augen tief in den Höhlen lagen und dessen Kopfkochenstruktur durch die pergamentene Haut schimmerte. Man konnte der Frau nicht in die Augen schauen, so dunkel, so tief, so verborgen waren die.
Wer aber könnte Vertrauen fassen und mit ihr ein Wörtchen wechseln? Denn war nicht ein Sinn der menschlichen Existenz die Kommunikation?
Rob hatte der Alten eine rote Zunge gemalt, denn Rot stand für Leben, für Erotik.
Die hohe Stirn gab der Dame etwas Verschlagenes, etwas Hinterhältiges, etwas Hexenartiges.
Verschlagene Erotik, das ging doch gar nicht.
Rob hofft, dass bald Moos über die Angelegenheit wachsen würde.
Überhaupt: Das  mit dem überall Gesichter Sehen, das musste er sich mal abschminken.
Die Säge war schuld. Falsche Stelle. Falscher Schnitt. Fair Schnitt wäre angesagt gewesen. So war das nur Verschnitt.
Rob wünschte sich mal ein schönes Gesicht, so eins wie es in der Buche steht.