Einzigartigkeit

Malewisch: Neo-suprematistische Eierköpfe (2014)
Jeder ist in seiner Einzigartigkeit einzigartig, dachte Steffen, und überlegte, ob das ein Spruch für das Große Buch  der Weisheiten sei. Besonders ich, ergänzte Steffen, und dachte daran, dass Ostern der Tag war, an dem seiner Kopfform gehuldigt  wurde.
Steffen hatte irgendetwas Diffuses gelernt und warder richtigen Ortsgruppe beigetreten; heute diente er einer mächtigen Frau, die durch geheime Handzeichen das Volk ruhig hielt und in dem Glauben ließ, alles sei gut.
Nichts war gut. Das wenigstens wusste Steffen, aber er musste mitmachen und wusste auch, dass er den Platz an ihrer Seite seiner besonderen Kopfform zu verdanken hatte. Überhaupt war der Teil des Körpers ungemein groß im Verhältnis zum Rest, sodass man denken musste, ein ausgesprochen großes Hirn würde hinter der Knochenschale beherbergt.
Die mächtige Frau, die Handzeichen machte, duldete keine schönen Menschen neben sich, weil die sie selber hässlicher machen würden, und weil jedermann glaubte, dass sich Schönheit und Geist nicht paarten.
Steffen hatte seine Wahl getroffen. Er wollte der mächtigen Frau nahe sein, damit diese schöner wirkte und weil sich wegen dieser Nähe niemand traute, hinter ihm herzurufen. "Eierkopf, rede nicht so'n Scheiß!" Zum Beispiel.
Was aber störte ihn an dem Satz "Jeder ist in seiner Einzigartigkeit einzigartig"?
Ach, dachte Steffen, eigentlich nichts; ab damit ins Große Buch der Weiheiten! Damit er auch endlich einen Spruch drin hatte. Das "Besonders ich" wollte er aber weglassen; auch wenn es stimmte.