Land und Linien

Seht die Linien auf dem Lande!, so lautet ein viel zitierter Spruch aus einschlägigen Nachschlagewerken. Stolze Schnörkel hat die Stadt!, ist der herbe Gegensatz zu geometrischer Überschaubarkeit.
Seht die Linien auf dem Lande, sie säen nicht und sie pflügen nicht! Trotzdem kommen sie über die Runden.
 Das klingt paradox.  Schöne gerade Linien können nicht über die Runden kommen, dann wären es ja Kurven.
Aber:  In die Linien wird gesät und schließlich werden sie vorher gepflügt. Vielleicht sind sie ein wenig zu passiv, um Bedeutung in der Weltgeschichte erlangt zu haben, aber sie sind das Richtige für das Land.
Wenn die Menschen sich auf ihren Festen dem Trunke ergeben haben, dann brauchen Orientierung und Überschaubarkeit. Was spielt es für eine Rolle, ob da plötzlich vier oder sechs Linien zu sehen sind, statt derer zwei? Hauptsache ist, dass sie in die selbe Richtung führen. Nach Hause. Denn am Ende der Linien liegt immer auch das Zuhause, da fühlt sich der Landmensch wohl.
Die Stadt verwirrt mit Schnörkeln und Schnitzereien. Es sollen sogar sich übergebende Dämonen an Kirchturmwänden gesehen worden seien. In Kombination mit der hektischen Ruhelosigkeit des Städters führt das, auch in Verbindung mit Suchtstoffen, zu geistiger Verwirrung und Erschöpfung. Der ausgemergelte Städter, der nicht weiß, wo hinten ist oder das Ende einer Linie, ist nicht die Ausnahme.
Der Ländler weiß: Da vorne geht's lang, auch wenn es achtspurig abgeht. Am Ende bin ich zu Hause und wenn ich nicht mehr gehen kann, nehme ich das Auto. Bei diesen vorzüglich ausgebauten Straßen dürfte das wohl kein Problem sein.
Gelobt die Linie auf dem Lande!