A bis Z des Rock: Cohen Runtermacher

Wir waren gut drauf. Hatten Deep Purple gehört, hatten mit den Oberkörpern hospitalistisch gewackelt, vor und und zurück, wir hatten den FLOW, obwohl wir das Wort nicht kannten, waren in einer Art Rausch ohne Drogen, vielleicht mit zweidrei Bieren, die Welt gehörte uns, bei jedem Riff von Richie B wiederholte sich die Botschaft: Ihr habt die Kraft, ihr seid die Macht, ihr seid die Zukunft.

Und dann, ohne Vorwarnung: Leonard Cohen. Nylonsaitengitarre, Maultrommeln, und scheinbar von Cohen hypnotisierte Backgroundsängerinnen.

Alles war sofort wieder da. Wir landeten von unserem Höhenflug. Uns wurden die Flügel von jetzt auf nichts weggenommen, Sturzflug, ohne Fallschirm, harte Landung, nein, Aufprall.

Alles war wieder da:
Die fünf in Mathe. Barni hatte ein Auge auf Rita geworfen, die in Frage gekommen wäre, wenn Sigrid nicht endlich weniger spröde, weniger abweisend wäre. Das Generve: Die Haare sind zu lang, was sollen die Leute denken. Kreuzigung. Verdammte Kreuzigung: Wurde man in der Hölle gekreuzigt? Andere behaupteten, die Hölle sei die längste Theke der Welt. Der Welt? Die Hölle war doch gar nicht Welt! Dauerparty. Hölle war Hölle. Und dann: Wenn wir in den Himmel kämen, Konjunktiv zwei, die Deutscharbeit war auch daneben gegangen, wo bitteschön sollten wir uns treffen? Wie könnten wir uns wiederfinden? Da war doch nichts. Große Liegewiese? Im Schwimmbad war das ja schon schwierig. Da konnte man sagen: Ich bin die rote Badehose. Die Gummiente.

Im Paradies waren doch alle nackt? Oder gäbe es Einheitskleidung? Das war dann eher Internierungslager. Ich wollte aber auch nicht alle nackt sehen. Das wäre nicht schön. Liebe, Religion, Schule, Eltern. Existenziell. Morbide. Und Leonard Cohen hatte seinen Grabgesang angestimmt.

Immer und immer Entscheidungen, die zerrissen: Noch ein Bier? Noch mal an Sigrid? Nach Hause gehen?

Jetzt ist Cohen alt, aber wir sind es auch.
Der Trost: Daran wird sich nichts mehr ändern.