Neulich im Lidl

Liebes Tagebuch!
Mit einem fröhlichen Liedl auf den Lippen und ruckbesackt schritt ich kürzlich zügig in den neuen Lidlmarkt, der ein umfangreicheres Warenangebot versprach und das ich erkunden wollte. Beim Eintreten dachte ich kurz über das missratene Wortspiel - ein  Liedl auf den Lippen in den Lidl- nach und widmete mich dann dem Warenangebot, das sich aber nicht sonderlich vom üblichen unterschied. Ich räumte einen Beutel Möhren, zwei Bio-Paprika und eine Dose Hautcreme aus den Regalen in meinen Transportbeutel und stellte mich an der Kasse in die Schlange, eigentlich ans Ende der Schlange, als eine Verkäuferin fröhlich winkte und darum bat, sich an Kasse 5 einzufinden und dort die Waren auf das Transportband zu legen.
Ich leerte meinen Beutel und ließ die Dame eine Rechnung aufstellen, die ich anstandslos bezahlen wollte.
Vor dem Nennen der Endsumme fragte sie: Darf ich mal in Ihren Rucksack sehen?
Gleichsam wie konditioniert schoss es mir heraus: Nö.
Die Dame wirkte ein wenig irritiert, so als habe sie etwas anderes erwartet, denn sonst hätte sie ja nicht gefragt.

Sie wissen, dass das nicht erlaubt ist?, fragte ich nun meinerseits die Kassiererin.

Neinnein, kein Problem, das ist nur freiwillig, das war ja auch nur eine Frage, versuchte sie zu beschwichtigen.

Wenn es Sie interessiert, dürfen Sie gerne reinschauen, wenn ihnen dann wohler ist, versuchte ich die nun Verunsicherte weiter zu verunsichern.

Neinnein, schon gut, das ist nicht nötig, hätte ja sein können, dass Ihnen das nichts ausmacht. Die Dame wird kleiner hinter dem Transportband und die Angelegenheit wird ihr zunehmend peinlicher.

Hat ihr Chef Sie angewiesen, Taschen zu kontrollieren?, will ich wissen.

Neinneinnein, schon gut, ich will Ihnen jetzt nicht den Tag verderben, alles gut.

Selbst wenn ein Tatverdacht besteht, darf nur die Polizei einen Blick in meinen Rucksack werfen!, kehre ich den Volljuristen raus, der ich gar nicht bin, und ich frage mich, ob ein Vollhorst von Ladendetektiv eine ungeschickte Handbewegung meinerseits als Ladendiebstahl diagnostiziert hat.
Sagen Sie Ihrem Chef, dass das gegen bestehende Gesetze verstößt, setze ich nach; die Frau windet sich auf dem Kassierstuhl.

Neinneinnein, ich würde Ihnen ja sonst unterstellen, dass Sie etwas gestohlen hätten, versucht die Frau weiter zu beschwichtigen.
Die Kunden in der Restschlange grunzen leise, amüsiert, aber auch beunruhigt.

Wenn Sie mir nichts unterstellen, warum wollen Sie dann in meinen Rucksack sehen?,frage ich.

Könnte ich dann mal einen Blick in Ihre Handtasche werfen? Nur mal so, oft lässt der Inhalt der Handtasche ja auf die Persönlichkeitsstruktur schließen.
Die zwingende Logik der Fragen wird mir erst zu Hause klar und ich vergesse sie zu stellen.

Na, dann noch einen schönen Tag!, quetsche ich mir durch die Zähne.

Jajajaja, Ihnen auch und nichts für ungut, schönen Tag, auf jeden Fall.

Ich schreite zu meinem Fahrrad und überlege, ob ich dieses Vorgehen oder Vergehen  nicht der gesamten Menschheit im Internet melden soll.
Was um Himmels willen hätte ich im Lidl denn klauen können? In diesem verschissenen Niedrigpreisangestelltenausbeutungsladen, der auf Bio macht und seine Kunden für Diebe hält. Das gibt Punktabzug, gewaltig Punktabzug, das ist mir klar, und ich trete massiv in die Pedale. Leider quietschen die Reifen meines Fahrrads nicht. Ich weiß auch noch nicht, wo ich die Punkte abziehen kann, damit Lidl das überhaupt merkt.