Betonen, was man nicht unterdrücken kann

Man hatte Gordon gesagt, dass er eine hohe Stirn habe. In einem Ton, der ihm signalisierte, dass das nicht besonders schön sei, dass das eine Erinnerung an Frankensteins grausame Bastelköpfe auslöse.
Jahrelang hatte Gordon den Gedanken gepflegt, eine hohe Stirn sei ein Zeichen für ein großes Hirn und damit für hohe Intelligenz.
Gut, sportlich war er ohnehin nicht, kein Leistungsträger, da konnte man schnell anecken mit hoher Stirn, wurde dann verlacht als verkopfter Lahmarsch, der seine Beine nicht koordinieren konnte.
Damit hatte Gordon immer leben können.
Statt Fußball zu spielen, hatte er ein gutes Buch gelesen oder fürs Eckenraten sein Allgemeinwissen geschult.
Aber dass nun seine hohe Stirn zum Nachteil gereichen sollte, das musste er erst mal schlucken.
Er hatte sich sofort einen neuen Hut gekauft, einfach als Entschädigung und auch als Belohnung dafür, dass er alles so lange ausgehalten hatte.
Das macht aber einen Riesenkrakendoppelkopf!, hatte Vera gekichert und ein lautes Lachen unterdrückt.
Der Hut war im Angebot gewesen, weil er Querstreifen hatte, die angeblich dick machen.
Aber dick hatte Vera nicht erwähnt. Riesenkrakendoppelkopf. Was das nun wieder sollte! Vera war blöd. Auf ihr Urteil konnte man nichts geben.
Irgendwo hatte er gelesen, dass man das, was man nicht unterdrücken kann, etwa eine hohe Stirn, betonen sollte. Der Hut betonte die Stirn und machte sie damit zu einem Gesamtkunstwerk oder was auch immer. Er hatte alles richtig gemacht.
Wo hatte er das nur gelesen? Gordon fiel es nicht mehr ein.
Vielleicht hatte er es auch nur selber auf einen Zettel geschrieben und dann gelesen.
Ein alter  Trick des "Großkopfertern". Aufschreiben, lesen und dann sagen: Habe ich gelesen! Das machte Eindruck, und die meisten glaubten, man zitiere etwas Wesentliches von Menschen, die Wesentliches dachten und aufschrieben.
Eine hohe Stirn. Gordon fand eine hohe Stirn schön.
Wer sich selbst nicht schön findet, kann auch andere nicht schön finden. Das hatte er auch irgendwo gelesen. Nur wo?
Falls das wieder von ihm stammte, sollte er vielleicht doch mal ein Buch schreiben. Mit kleinen Weisheiten des Alltags. Kleben und kleben lassen, zum Beispiel, als Sinnspruch für Postbeamte. Auch wenn die schon lange nicht mehr klebten.
Briefmarken jedenfalls nicht. Höchstens noch am Bürostuhl.
Hahaha, lachte Gordon in  sich hinein, denn Platz genug war ja in seinem Kopf.