Günter Krass: Damals war Hoffnung (2010)


Wir waren so stolz damals auf unsere Schlipse, die dem Volk suggerierten, wir gehörten zu ihm, die uns zeigten: Wir konnten es schaffen, wir konnten uns an das Establishment heranpirschen und unsere Träume aufgeben, wir konnten gute Arbeitnehmer werden, die vielleicht sogar einmal FDP wählten. Wir würden gute Ehemänner sein und gute Väter.
Wir waren jetzt schon stolz auf das, was wir in der Zukunft schaffen würden.
Wir waren so stolz auf das, wovon wir träumten. Wir waren so revolutionär, so oppositionell, so konträr, so schrill, so destruktiv, so erfrischend, so kreativ, so emotional und so gelangweilt, wie man sein kann nach 9 Jahren Gymnasium. Wir fuhren Käfer, weil wir uns keinen Ford Capri leisten konnten.
Wir waren so stolz auf unsere Sakkos und unsere Schlipse.
Wir konnten es schaffen.
Wir konnten so werden wie unsere Lehrer.
Und damit würden wir sie eines Tages erschrecken.
Wir würden mit unserer Muffigkeit, mit unserer Langsamkeit und mit unserem reaktionären Murmeln diese Lehrer erschrecken. Ihnen einen Spiegel vorhalten.
Falls sie noch lebten, wenn es soweit wäre.
Das war unsere Hoffnung. Mit dieser Hoffnung schritten wir hinaus in die weite Welt hinter Bielefeld.