Der Frühling ist da


Der Frühling ist da. In seinen Traditionsfarben Rot und Weiß steht er in allen Gärten und macht die Menschen nervös. Einige schauen nicht hin und täuschen Frühjahrsmüdigkeit vor, andere bekommen rote Ohren, weil sie zu genau einen Blick riskieren. Der Frühling ist gelassen, er kann es sich leisten, er hat Zeit, ein ganzes Vierteljahr, eine Zeitspanne, die ein normaler Mensch nicht zur Verfügung hat, um gelassen zu sein; um gelassen zu werden auch nicht. Niemand will seine Mitmenschen lassen, denn die sollen gefälligst in gleichen Abhängigkeiten leben wie man selber. Neid macht sich breit. Der aufgekratzte Mitbürger starrt den Frühling an und bewundert insgeheim, wie unerbittlich gelassen er sich an die Bestäubung der Umwelt macht. Da macht ihm keiner was vor, aber auch keiner was nach. Das kann nur der Frühling. Dem Rotohrigen wird jetzt auch der eine oder andere Finger rot, auf den er sich gebissen hat: Vor Wut, dass ihm verweigert wurde, dieses Jahr der Frühling zu sein. Aber der Frühling, das ist das große Missverständnis, lässt keine Statisten Hauptrollen spielen. Der Mensch möge sich in die Frühjahrsmüdigkeit zurückziehen und ein paar Schläfchen halten, bis es Sommer ist. Aber auch da gibt es genug Anlässe zu Neid und Missgunst. Es ist einfach im Menschen drin. Da hilft auch nicht, darüber hinweg zu schlafen. Verdammt.