Herbst: Ich bin eine Flasche

Wir werden automatisch still, wenn wir etwas Zerbrochenes sehen. Unwillkürlich denken wir an unser klägliches Sein und erinnern uns an die gute alte Deadline. Das Wort fanden wir früher cool und ziemlich englisch, doch mittlerweile jagt es Schrecken ein und überzieht den Rücken mit einer Gänsehaut. Ist das Zerbrochene eine Flasche, die vielleicht zuvor billigstes Hansa-Pils beinhaltete, dann kehrt tiefe Depression ein und schmiegt sich an das bereits vorhandene Missgefühl, das der Herbst aufkommen lässt. Du bist echt eine Flasche, sagen wir uns im Selbstgespräch, du bist völlig kaputt. Du bist total leer, ausgelutscht, zerbrochen an der pflastersteinharten Realität, an deinen Ansprüchen, an den unfähigen Versuchen, dein Leben in den Griff zu bekommen. Aber- und da keimt ein wenig Hoffnung auf- du kannst immer noch verletzen, wie zerstört du auch bist, da werden sich die Lacher und Höhner geschnitten haben! Die werden sich geschnitten haben!, flüsterst es aus dir heraus. Wie eine Gebetsmühle murmelst du diesen Satz vor dich hin und er gibt dir Kraft. Ein letztes, vielleicht sogar ein vorletztes Mal wirst du dich aufbäumen, und alle, die dich treten, werden sich wundern, wenn ihn das Blut in den Socken steht. Das Leben hat wieder einen Sinn!