Über den Tellerrand schauen


Über den Tellerrand schauen ist keine Frage der Größe. Keiner steht in seinem Teller und vor der Herausforderung, über den Rand hinaus zu sehen, um mitzubekommen, was die Welt außerhalb des Tellers zu bieten hat. Aber ab und zu sitzt jeder mal vor seinem Teller. Und dann kann es eine große Leistung sein, den Blick über den Tellerrand hinweg zu heben. Um zum Beispiel die Flecken auf der Tischdecke zu entdecken. Oder in die Augen des Ehepartners zu blicken, wie lange hat man das vermieden. Auch kann es schmerzhaft sein, den Blick zu heben und die schmierigen Fingerabdrücke auf der Dunstabzugshaube zu sehen. Überall tun sich Aufgabenbereiche auf: putzen, waschen, aufräumen, Beziehungen in Ordnung bringen. Über den Tellerrand schauen kann richtig weh tun und wird daher so gern vermieden. Wer es getan hat, wird vielleicht mutiger und schaut anschließend auch noch in den Teller, auf die Lebensmittel, die sich dort häufen und, wenn die nicht mehr zu identifizieren sind, auf die Nährmittelangaben der geöffneten Dose oder Styroporverpackung. Mit dem neu erworbenen mutigen und aufklärerischen Blick sollte jede einzelne Zutat in Augenschein genommen werden. Bei wem auf das Betrachten und Erkennen der Wunsch zum Handeln aufkommt, der ist schon auf dem besten Weg, Mitglied bei Foodwatch zu werden. Wer den Blick über den Tellerrand grundsätzlich scheut und Lebensmitteln schon länger nicht mehr über den Weg traut, sollte einfach mal eine halbe Stunde in einen leeren Teller schauen, auf den knurrenden Magen hören, das Nichts erspüren und in einer schlichten Imaginationsübung sich selbst als einen leeren Teller fühlen, bereit zu empfangen und gefüllt zu werden. So wird der Tellerrand zum Übergang zwischen mir und den anderen, der einen und der anderen Welt, dem Innen und dem Außen, halte ihn rein und respektiere seine Würde, lege keine Knochen und Gräten auf ihn und lecke ihn vor allem nicht ab.