"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Alles fließt überhaupt nicht

Manchmal fließt nicht mal der Bach

Wisset, dass der östliche Mensch sich gern mit kryptischen Sätzen umgibt und den Anschein erwecken will, er sei besonders weise. Einer dieser Sätze ist: Alles fließt. Was auf den ersten Blick eine klare Aussage ist und der Leser sie ablegt unter „Unwichtig“ oder „Kannst du vergessen“, entwickelt bei längerem Betrachten unangenehme Qualitäten.
Man stellt fest, dass eben nicht alles fließt, sondern vielmehr auch steht, sitzt oder liegt. Manches hüpft, anderes kriecht und der Rest schleicht sich vielleicht. Dem Menschen im Osten nimmt das aber keiner übel, dass er da Unsinn verzapft hat, sondern denkt weiter, dass das schon seine Richtigkeit haben wird.
Dann setzt man sich an einen Bach und kontempliert. Der Bach fließt. Aber der Rest? Das Gras zittert und wackelt, der Mutterboden sitzt oder steht oder liegt unter, neben und hinter dem Bach. Die Blumen lauern auf Bienen und die Bachstelze stelzt arrogant herum, weil sie sich nicht mit östlichen Weisheiten beschäftigen muss.
Schlussendlich entstehen Aggressionen über die Ungerechtigkeiten der Welt: Der Westler gilt immer als ein bisschen tumb, während der Chinese zum Beispiel listig grient, weil man ihn für einen Alleswisser hält. Und das nur, weil man die Sätze nicht sofort versteht, die aus dessen Heimatland in die zivilisierte Welt dringen.
Der Westen sollte auch seinen Stolz entwickeln und ab und zu ein paar kryptische Weisheiten deklamieren. Ein schönes Beispiel ist: Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der die Sache regelt.