Treu - Ein Wort wird missbraucht


Wie lange ist das Wort treu hochgehalten worden? Ein Wert, der heute in Zeiten von Seitensprung und Nachmittagstalkshows für Schwachbegeisterte gar nicht verstanden wird. Wie jetzt, treu? Du kuckst so treu, kommt gerade noch über die Hirnlappen, oder treuer Hund, als Assoziation, die im Nebligen bleibt, weil nicht recht verstanden. Treu sein, Treue - das sind doch vergessene Eigenschaften. Der Mann, der seiner Frau treu ist, oder wenigstens der Geliebten, die er neben seiner Frau hat, die Frau, der der Gatte bis in den Tod hinein der einzige bleibt, der Ritter, der für seinen König stirbt, alles verschwundene Gestalten, alles Schnee vom letzten Jahr. Das will keiner mehr hören, daran will sich keiner mehr erinnern. Nicht mal sich selbst können die Menschen treu sein, weil sie so wenig von sich wissen, und weil sie bisher so wenig entdeckt haben, woran sie festhalten könnten. Ein sinnentleertes Wort hat seine Aufgabe verloren, seine Bestimmung eingebüßt - und muss für Billiges herhalten. Heute finden wir das schöne Wort treu in profanen Nomen wie Salzstreuer, Streugut, Lohnstreuerjahresausgleich und bei Menschen mit Rechtschreibschwächen in den Wörtern Treume, Weintreuben und treuhundertvier. Wie sagt der Klassiker? Meiner Treu, was für Zeiten!