Suchtgefahr: Nur die Genussschiene

Nur die Genussschiene, sagte die Suchtberaterin, also, wenn Alkohol, wenn schon Alkohol täglich, wenn schon Alkohol ohne Grund trinken, dann nur die Genussschiene. Wer sagt, dass der Alkoholiker nicht genießt, wenn der Hochprozentige durch seine Kehle rinnt? Genussschiene, wo ist die überhaupt, wie soll ich die finden, wenn ich zu bin?, fragt der Alkoholiker morgens um 10. Der freie Vogel hat diese Probleme nicht, er ernährt sich nicht von Alkohol, es sei denn, er räumt mal wieder Papierkörbe im Park auf und stößt dabei auf Vergossenes, oder futtert mal tüchtig auf der Mülldeponie Vergorenes. Dann fliegt er die Genussschiene entlang und informiert sich über seine Flugtüchtigkeit und damit über den gefühlten Promillegehalt seines Vogelblutes. Der Mensch hat es da nicht ganz so einfach. Wenn er auf der Schiene entlanggeht, um seine Fahrtüchtigkeit zu demonstrieren, kann es schnell sein, das ein überrollender Zug ihn über seine verlangsamte Reaktion informiert. Leider verbleibt ihm keine Lebenszeit, die gewonnenen Information für ein Umlernen einzusetzen. Wenn sich die Krankenkassen auch heimlich die Hände reiben, weil sie einen Therapieplatz weniger finanzieren müssen, so haben sie doch immer vor den Gefahren des Alkoholismus gewarnt. Wenn Alkohol, dann die Genussschiene, sagte die Suchtberaterin, und meinte ein Gläschen, höchstens zwei. Das sei kein Genuss, das sei Folter, lallte der Beratene.