"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Bewegungsmeldermeditation

Wie groß muss die Sehnsucht nach Entspannung und Ruhe sein, dass sich gestresste Menschen oder solche, die kurz vor Untergang des New Age noch einen finanziellen Schnitt machen wollen, immer neue Methoden überlegen, das Althergebrachte in neuem Kleid an den Mann und die Frau zu bringen? Anstatt sich still in eine Ecke zu setzen, werden kostspielige Seminare angeboten, dazu passende Kleidung und allerlei Zubehör, wie Meditationshocker, Klangschalen, Aromaflöten und Ohrkerzen. Dabei ist es so einfach, auch einmal ungewöhnlich zu meditieren. Ein neuer Trend, diesmal nicht aus dem Amerikanischen über den Ozean geschwappt, sondern aus dem Bereich der Klein- und Mittelschwerkriminellen gekommen, wirkt Begeisterung bei den immer zahlreicher werdenden Anhängern: Die Bewegungsmeldermeditation. Wer ein solches Gerät besitzt, das auf eine kleine Bewegung hin die Hofeinfahrt oder den Garten beleuchtet, sollte sich für größere Aufgaben gut vorbereiten. Entscheidend ist nach der Erleuchtung solange bewegungslos zu verharren, bis das Licht erlischt. In diesem Verharren bleiben und eine möglichst lange Zeit bei völliger Dunkelheit an Nichts denken. Wer das Grauen des Morgens erlebt, ist der wahre Meister. Das Warten im Dunkeln, etwa in der Kranich-Stellung, fördert unbedingt den Gleichgewichtssinn und damit die äußere und innere Ausgewogenheit. Ein Müdigkeitsgefühl sollte sich am nächsten Tag nicht einstellen, denn die tiefe Meditation ist erholsamer als traumdurchwirkter Schlaf, in dem die meisten nur weiter ihrer Arbeit nachgehen oder einem unerreichbaren Sexualpartner hinterherhecheln.
Wer die Oberklasse erreichen will, sollte nicht mehr den eigenen Bewegungsmelder zur Meditation benutzen, sondern den der Nachbarn, den in wohlhabenden Wohnvierteln oder den auf Fabrikgeländen, besonders der Pharmaindustrie, die ihr Gelände häufig durch bewaffnete Dunkelbekleidete bewachen lässt.
Nachdem die Nachbarn das wundersame Tun des Meditierenden bemerkt haben und seit Tagen nicht mehr grüßen, kann sich der Erfahrungsuchende an wohlhabende Wohngegenden wagen. Hier wird häufig auch die ganze Straße beleuchtet, um möglichst frühzeitig ungebetenen Besuch zu verschrecken. In diesem Umfeld zu meditieren erfordert Gelassenheit und vollkommene Ruhe. Das Herumstehen auf dem Bürgersteig in der Fang-die-Sterne-Stellung, anfangs im Licht natürlich, kann schon mal ein kleines Polizeiaufgebot herbeizitieren, vielleicht sogar den gewöhnlich sehr friedlichen Kampfhund abketten. Da heißt es still stehen. Da heißt es, sich bewähren. Ist das wirklich Ruhe, die in uns ist? Jetzt den Feueratem auszustoßen kann kein guter Rat sein. Hoffen wir, dass Ordnungshüter und Wachbeller sich mit der Bewegungsglosigkeit zufrieden geben, und dem Meditierenden nur gemeinnützige Absichten unterstellen.
Aus solchen Situationen kann der Übende Kraft schöpfen für die große Aufgabe: Fabrikgelände mit Bewachnung. Der blauberockte Waffenträger will gern mal seine Autoriät zeigen, seinen Schlagstock einsetzen oder die Schusswaffe ziehen. Wenigstens mal richtig losbrüllen will er, denn er steht unter Spannung, weil irgendetwas losgehen könnte, aber nicht losgeht. Adrenalinstau. Das macht den Wachmann gefährlich und unberechenbar. Die tiefe Ruhe im Meditierenden muss sich auf den Sicherheitsmann übertragen, um eine Chance zu behalten, die Meditation sinnbringend zu beenden. Nur wahre Meister bringen das.
Schließlich kann die Meisterschaft vervollkommnet werden auf einer Exkursion nach Afrika. Dort werden Fabrik- und Forschungsgelände abgeschottet und von einheimischen Wachmännern, die mit vergiftetem Pfeil und Bogen arbeiten, versorgt, die jeden, der innerhalb des Geländes herumgeht(!) ,anschießen. Manchmal treffen sie nicht, weil das Ziel sich zu schnell bewegt. Hier die Ruhe zu bewahren und auf den Wachmann auszuströmen und seinen Schuss zu verhindern oder abzulenken, ist die Meisterschaft, wird aber mit dem Leben danach belohnt.
Kann eine Meditation vielschichtiger sein?

(Die afrikanische Wachmanngeschichte kann man nachsehen in dem Film "Darwin's Nightmare", einem Dokumentarfilm über die Ausbeutung der Menschen in Westtansania am Viktoriasee. In diesen See setzten Wissenschaftler den Nilbarsch, der seitdem fast alle anderen Tier- und Fischarten weggefressen hat. Die Bevölkerung lebt in bitterster Armut und ist vollkommen abhängig von der Fischindustrie. )