Skandinavische Krimis weiter schreiben: Oslo ist teuer

Harry Hole schämte sich ein bisschen, dass so viele Touristen den Tatort sehen konnten, obwohl die Leiche schon fortgeschafft worden war. Nun war offensichtlich, dass auch die Norweger darunter litten, dass Oslo die teuerste Stadt der Welt ist. Trotz Öl und Lachse konnten viele den hohen Lebensstandard nicht halten. Harry hatte mit eigenen Augen gesehen, was den Touristen und den anderen Schaulustigen nur der Kreideumriss und die markierten Fundstücke am Tatort verrieten: Die Joggerin war mit Gummistiefeln unterwegs gewesen, Laufschuhe waren unerschwinglich geworden und Barfußlaufen aufgrund des Klimas nicht zu empfehlen. Die Frau hatte eine deformierte Hand und offenbar kein Geld um sich von einem Spezialisten behandeln zu lassen. Das Handy - von Opfer oder Täter - war mindestens zehn Jahre alt. Sogar der Mörder hatte nichts als einen billigen Plastikknüppel aus Fernost um seine Tat auszuführen. Harry mochte es nicht, dass fremde Menschen solch einen Einblick in die Abgründe seiner Heimatstadt bekamen. Wenigstens sieht sie auch im Tod noch sportlich aus, wie sie da liegt, als ob sie immer noch liefe, einmal durch die Telemark, hin und zurück, dann eben in Gummistiefeln, dachte er. Und er war fast ein bisschen stolz auf die Leiche und hätte den immer noch glotzenden Touristen gern einen kleinen Vortrag über die Willensstärle und den Stolz seiner Landsleute auch in schlechten Zeiten gehalten. Als Harry gerade einem Reporter vom Aftenposten seine Bewunderung für den Mörder mitteilen wollte, weil es fast eine unvorstellbare Leistung darstellte, mit einem leichten Plastikbaseballschläger solch einen Schaden anzurichten, merkte er, dass er immer noch nicht wieder ganz nüchtern war. Warum kann ich mir eigentlich immer noch Alkohol leisten, fragte er sich, wenn hier alles so teuer ist.