Wer braucht zum Predigen einen Stuhl?

Zum Predigtstuhl, wie ihn die Norweger nennen, wanderte das theologische Seminar während der Exkursion. Die jungen Theologen waren angeregt von der körperlichen Betätigung und der frischen Luft und diskutierten lebhaft darüber, ob man im Sitzen predigen kann. Einige standen in Kleingruppen zusammen, die weniger Durchtrainierten setzten sich auf den Predigtstuhl. Obwohl auch sie die Meinung vertraten, niemals im Sitzen predigen zu werden. Das wirkt so statisch, ich bin doch kein Nachrichtensprecher, hörte man aus vielen gläubigen Mündern. Ich bin zu klein, im Sitzen verschwinde ich hinter der Kanzel, sagten manche. Ich habe doch schon einen Kurs in liturgischer Präsenz belegt, verkündigten andere, die hat man nur im Stehen, die Arme weit ausgebreitet, wie zum Fliegen, das verheißt Weite und Visionen. Sitzen ist hocken, nicht den Aufbruch wagen, was transportiert man da alles mit so einer Haltung. Niemand bemerkte den jungen Mann mit den traurigen Augen, der nicht zum theologischen Seminar gehörte. Er stand bereits am Rand des Felsplateaus, er breitete die Arme aus, wie zum Fliegen, er schloss die Augen, als sei er bereits in einer anderen Welt, er murmelte vor sich hin, vielleicht ein Gebet, vielleicht einen Segen, ein einsamer Priester mit einem letzten Predigtauftrag, liturgische Präsenz in Perfektion, schade, dass er nicht zum theologischen Seminar gehörte, vielleicht hätte er hier seinen Platz gefunden, einen Stehplatz. Doch der junge Mann wollte fliegen.