Oma häkelte Mandalas

Es hatte etwas Beruhigendes, wenn die Oma ihre Hände unruhig im Schoß bewegte. Ich wusste nicht wirklich, was sie tat. Ihr Blick war eher starr und schaute nach unten oder in die Ferne. Die Hände immer in Arbeit. Ein Motto war hier Fleisch geworden: Die Ruhe liegt in der Arbeit. Die Eltern brüllten: Steh mal auf! Andere arbeiten schon und du liegst noch im Bett. Dabei hatte ich mich gerade hingelegt. Ich hatte die Zeitungsfrau freundlich gegrüßt und die Rollläden, die manche auch Rouladen nannten, heruntergelassen. Ich war noch in der Flachschlafphase, also gerade in die Narkose gefallen, weil betäubt von der Feier, von der ich gekommen war. Es arbeiten doch immer irgendwelche, stammelte ich, und dachte an die Nachtschichtarbeiter, die anfingen, wenn die ordentlichen Menschen zu Bett gingen. Um 10 Uhr.  Abends. Warum krähte die Mutter jetzt herum? War sie nie jung gewesen? Ich hatte frei. Ich wollte leben. Beziehungsweise schlafen, um weiterzuleben.
Die Oma fummelte in irgendeinem Zimmer an ihren Händen oder an dem, was sie in diesen hielt, herum.
Später wusste ich: Sie war eine Schamanin. Sie störte es nicht, dass ich zu Bett ging, wenn die Eltern aufstanden.
Sie häkelte. Mandalas. Diese schönen runden Dinger, die man auch an Tischdecken nähen konnte, damit keiner wusste, welcher Zauber in ihnen steckte. Sie hatte die Magie in ihren Fingern: Mandalas.
Schade, dass sie gehäkelt waren.