Schlangenlinienfahren vor dir

Es ist nicht immer Alkohol, der Fahrerinnen und Fahrer veranlasst, merkwürdige Bewegungen mit ihren Fahrzeugen zu unternehmen. Das Schlangenlinienfahren, beliebt ab 1,3 Promille, deutet vielleicht auf Abusus von Hochprozentigem hin, aber manchmal ist es nur eine SMS, die vielleicht klemmt und nicht ihren Weg durch den Äther in das angeschrieben Mobilteil finden will. Der Blick nach unten verhindert dann, den korrekten Verlauf der Straße zu erkennen, und erst wenn der Grünstreifen touchiert wird oder ein Begrenzungspfahl, zwingt das die die Augen weg vom Display durch die Windschutzscheibe, um die Fahrtrichtung zu korrigieren.
Neben klemmenden SMS können unangenehme Gespräche per Handy dazu führen, das keine Hand mehr zum Lenken fei ist und die Knie bemüht werden, oder dem Wagen erst mal ein gewisser Freiraum gewährt wird, der bei neueren Modellen durchaus geradeaus geht, aber bei Karossen, die die Abwrackprämie verpasst haben, auch mal auf die Gegenfahrbahn ausgeweitet werden kann.
Mit der einen Hand wird das Sprechgerät an den Kopf gedrückt, mit der andere Hand wild gestikuliert oder verlegen am Armaturenbrett genestelt.
Ein der Nase entnommenes Ausgrabungsstück will sich nicht vom Finger lösen und erfordert volle Aufmerksamkeit, weil der auf Sauberkeit bedachte Fahrer dieses nicht auf dem Tachometer oder am Handschuhfach kleben haben möchte. Da heißt es Fingerfertigkeit beweisen und eventuell die zweite Hand zu Hilfe zu nehmen, was wiederum den Eindruck erweckt, hier habe man es mit einer Art kreativem Fahren zu tun.
Alles beweist: Autofahren ist langweilig, da muss man etwas nebenher machen, vielleicht ein Buch lesen oder einen Film auf dem Mini-DVD-Player vor dem Beifahrersitz anschauen.
Der nachfolgende Verkehr sollte also vorbereitet sein, Verständnis haben, schnell reagieren können und nicht sofort die Polizei rufen, und jammern, dass jemand alkoholisiert Auto fährt, in Wirklichkeit aber nur versucht, seinen Dackel auf dem Teppich zu halten. Denn wer will beweisen, dass das Wahrgenommene wirklich passiert ist? Mit dem eigenen Handy filmen? Das wäre fatal, den Fehler des Vordermannes durch einen eigenen zu dokumentieren, um ihn anschließend ahnden zu können.
Die Zeiten haben sich geändert. Empathie ist gefordert. Das Wort ist den meisten Hinterherfahrern genauso unbekannt wie die dazugehörige Eigenschaft.