Über die Liebe (1)

Bis zum Alter von sechs Jahren hatte Bodo die kräftigen, aber wohlriechenden Oberarme seiner Mutter geliebt. Es war eine reine Liebe gewesen, ohne Fehl und ohne Falsch, bedingungslos. Es war eine Liebe gewesen, fast so wie die eines kleinen Hundes, der sein Frauchen liebt, egal was es gerade getan hatte, egal ob es versagt hatte, ob es die Eltern enttäuscht hatte, ob es schlechter oder guter Mensch war, einfach so. Weil der kleine Hund kleiner Hund war und das Frauchen Frauchen.
Agape.
Diese reine Liebe hatte sich Bodo bewahrt, weil er sich strikt geweigert hatte in den Kindergarten zu gehen, und weil es ihm nicht vergönnt gewesen war, gleichaltrige, aber andersgeschlechtliche Menschen, Mädchen genannt, kenne zu lernen.
Mit dem Eintritt in das Volksschulalter änderte sich alles.
Mit dem Eintritt in die Volksschule.
Da hatte er sich in Ruth-Vera aus der ersten Reihe verliebt.
Sie hatte schmächtige Oberarme und nie hatte es geklappt, dass er an diesen hatte riechen dürfen. Trotzdem hatte er sich in sie verliebt und beschloss, sein Leben mit ihr zu teilen.
Er wollte nicht Feuerwehrmann werden, nicht Astronaut oder Pilot, nicht einmal Finanzbeamter oder Lokomotivführer.
Er wollte Ruth-Vera heiraten.
(Fortsetzung folgt)