Fremde Jacke

Es war Frau Holle gewesen, Lars erinnerte sich genau. Frau Holle als Theaterstück in der Adventszeit. Die Schneeflocken waren Federn gewesen und mit dünnen Fäden an ein Kissen genäht. Immer wenn Lars sich, andere oder sein Leben als fremd empfand, erinnerte er sich an die Frau-Holle-Aufführung, die er mit der Grundschulklasse besucht hatte. Er erkannte nach der Aufführung seine Jacke nicht wieder, die schwarze, die er schon den zweiten Winter trug. Hartnäckig weigerte er sich, diese Jacke als seine zu akzeptieren, obwohl mehr als vierhundert Kinder offenbar mit ihren eigenen Jacken und Mänteln nach Hause gegangen waren und nur Lars, die schwarze Jacke und Frau Häupel, die Grundschullehrerin, zurückgeblieben waren. Lars mochte seine Lehrerin und ihr hilfloser, aber liebevoller Blick waren offenbar stärker als das Gefühl der Fremdheit, das er plötzlich für diese Jacke empfand. 'Zieh sie an, Lars, es muss deine sein', sagte Frau Häupel matt. Lars zog sie endlich an, in den Taschen fühlte er Kaugummi, das er selbst dort hineingesteckt hatte. Die Jacke war wieder seine geworden, offenbar ein Zauber, vielleicht hatte Frau Holle ihre Hände im Spiel. Jacken konnten sich also von einem entfremden, lernte Lars. Vor allem im Theater. Aber sie können auch zurückkehren und dann sind sie ein bisschen hinterlistig und tun so, als ob sie nie fremd gewesen sind. Und Frau Holle hätte bestimmt mal Lust auf ein Kaugummi gehabt, aber sie hat sich beherrscht, damit nichts auffällt. Aber Lars hatte alles durchschaut.