Zwischen den Jahren

Ein anstrengendes Jahr lag hinter den Märchenprinzessinnen. Rapunzel, Schneewittchen und Dornröschen hatten ihre Prinzen gefunden und Gretel die böse Hexe besiegt. Doch nach dem guten Ende war das Leben noch weiter gegangen und den vier jungen Frauen ging auf, dass das Leben nicht immer ein Märchen war. Regierungsgeschäfte und Beziehungen kosteten Kraft, die Prinzen hatten ihre Macken und die Damen bekamen die ersten Fältchen. Keine konnte sich schadlos halten, Gretel trug schwer an der Sache mit der Hexe, Schneewittchen empfand sich oft als platt und Rapunzel verfluchte ihr böses Lästermaul. Einkehr war nötig, zur Ruhe kommen mussten sie alle, jede auf ihre Weise und an ihrem besonderen Ort. Schneewittchen legte sich mit ein paar Flaschen Rotwein in ihren gläsernen Sarg und Dornröschen wollte hinter den Heckenresten einfach nur schlafen. Rapunzel hatte zu Weihnachten ein Meditationsbuch geschenkt bekommen und zog sich damit in den hohen Turm zurück, der so lange ihr Gefängnis gewesen war. Dort lagen noch ein paar lange blonde Haare, die Rapunzel zusammen mit dem mitgebrachten Weihrauch anzündete, bevor sie die Klangschale auspackte. Gretel ging tief in den Wald zum Hexenhaus. Im Ofen suchte sie nach einem geeigneten Knochen und band ihn an einem Lederband um den Hals, aus Pfefferkuchen, Asche und wer weiß noch was stampfte sie ein Gemisch für einen Talismann und hielt Nachtwache für die Hexe. Sylvester wollten die jungen Frauen gemeinsam verbringen und richtig feiern. Vielleicht fanden sie für Gretel ja auch noch einen Prinzen oder zumindest einen Frosch. Und dann eine Frauenband gründen oder ein Schuhgeschäft eröffnen. Aber jetzt brauchten sie Ruhe.