Versessen auf richtiges Sitzen

Pawel Pikass: Stuhlstudie zu einem Studienstuhl (2011)
Also das ist so. Eigentlich sitze ich zwischen Hillu und Tanja, Hillu links, Tanja rechts, weil ich auf dem rechten Ohr besser höre. Walter sitzt neben Tanja.
Heute betrete ich den Raum, sitzt Walter auf meinem Platz und spricht mit Hillu. Tanja ist auch schon da und sagt nichts. Sie guckt geradeaus durchs Fenster auf den Hof.
Ich sage: Höi, Walter, was machst du da auf meinem Platz!? Ich tue so, als sei das ein Scherz, ist aber keiner. Walter grinst und sagt, er würde natürlich aufstehen, wenn ich das jetzt wollte. Das meint er auch als Scherz, und es ist wohl auch einer.
Bleib ruhig sitzen, sage ich, ich muss sowieso noch mal raus. Fünf Minuten später komme ich neu rein und Walter sitzt immer noch auf meinem Platz.
Ich setze mich auf Walters Platz, drehe meinen Kopf nach rechts, wie ich es gewohnt bin, also halbrechts, und will Tanja ansprechen, die eigentlich links von mir sitzt, sonst aber rechts, und aus dem Fenster starrt. Rechts von mir ist der Tisch zu Ende, da sitzt niemand, mein Satzanfang geht ins Leere, als ich mich ganz nach rechts drehe, sehe ich, dass Tanja gar nicht da sitzt. Sie sitzt ja links.
Vielleicht kann Tanja ihre Nackenverspanntheit so mal lösen, denke ich, wenn sie sich beim Sprechen immer nach links zu mir dreht, wird der Muskel auf der rechten Schulter immer gedehnt, während der auf der linken immer zu kurz ist. Das führt zu einer Dysbalance. Gut, manchmal redet Tanja auch mit Walter.
Ich will ihr das sagen und drehe mich nach rechts. Wieder falsch. Rechts ist der Tisch zu Ende, da sitzt niemand.
Ich fühle mich wie abgetrennt, wie weggebissen. Walter hat mich weggebissen. Was soll ich tun? Er hat mich auch noch auf so eine freundliche Art weggebissen, dass man in der Öffentlichkeit nicht gut zurückbeißen kann. Was aber notwendig wäre, um den Gesetzen der Natur zu entsprechen.
Wir sind doch zivilisiert, da tut man sowas nicht, würde Hillu sagen. Mit der rede ich aber wenig, und wenn, schaue ich dabei aus dem Fenster. Wegen der Ausgeglichenheit der Nackenmuskulatur. Scherz.
Meine Welt ist in Unordnung geraten.
Vielleicht kommen wir nicht umhin, andern ans Stuhlbein zu pinkeln, um das Revier zu markieren.
Das wäre jetzt aber mein Stuhl, auf dem ich normalerweise sitze. Keine gute Idee.
Ich muss sehen, was das mit mir macht. Drüber schlafen.
Morgen ist Walter nicht da. Gut für ihn.