I've looked at life from both sides now

Wolle konnte schrecklich einseitig sein, dachte Betti. Betti hatte auf dem Bärenfellfoto noch eine Dauerwelle, ihm musste doch klar sein, dass es lange vor seiner Zeit aufgenommen worden war, also piepegal, von wem. Lange vor seiner Zeit. War jetzt nach seiner Zeit? Wann war ihre Zeit? Solche Überlegungen konnte sie mit Wolle in dessen Eindimensionalität gar nicht besprechen. Aber zwei Seiten würden ihr auch nicht reichen. Jemanden von seiner anderen Seite kennen lernen verheißt auch nichts Gutes. Die andere Seite ist immer die schlechtere, die dunklere, die bösere. Hat jemand nur zwei Seiten, kann das nur schwarz oder weiß, vertraut oder fremd, Mann oder Frau, Drachenhaut oder Dünnhäutigkeit sein. Einmal rundherumgehen oder sich auf die andere Seite setzen und man weiß Bescheid. Vielseitigkeit klingt immer positiv, ja, vielseitig sollte Wolle sein, interessant wie ein Buch mit vielen Seiten und Kapiteln, sie wollte blättern ohne sich zu langweilen, lachen, sich gruseln, mitfiebern, weinen, aber Wolle konnte höchstens noch für den Spruch des Tages herhalten. Betti hörte Joni Mitchel. 'Ich habe die Wolken (die Liebe, das Leben) von beiden Seiten betrachtet.' Dunkel oder hell, grau oder strahlend weiß, mit Wolle oder ohne Wolle. Betti war das zu zweiseitig. Sie wollte den dicken Roman zum Blättern. Und das Bärenfell. Und keine Dauerwelle.