Handy beim Arzt

Immer mehr Erwachsene spielen mit ihrem Handy im Wartezimmer beim Zahnarzt. Frau Muhlig hat sich gerade angemeldet, sie zückt sofort das Mobilteil und schaut drauf herum, sie drückt und zieht und schmiert auf dem Display und der Beobachter weiß: Ein Smartphone mit Touchscreen. Vielleicht stellt sie per GPS fest, wo die Kinder gerade sind oder der Mann, ob der denn wirklich zur Arbeit gefahren ist oder vielleicht Zigaretten holen, um dann für immer zu verschwinden. Vielleicht nimmt sie aber auch an einem Online-Häkelkurs teil bzw. macht das Aerobic-Training heute einmal ohne Stulpen nur am Telefon. Aerobic ist out, denkt der Beobachter, out seit Jane Fonda doch altert, dann sind es vielleicht Pilates oder Body Pump auf ihrem Bildschirm.
Herr Restlinger sitzt jetzt auch auf seinem Platz, die passende Zeitung ist nicht zu finden, also zückt er sein modernes Mobiltelefon, wagt es aber nicht wirklich zu telefonieren, sondern startet sofort mit einigen Fingerritualen auf dem Glasträger. Vielleicht legt er ein Mosaik und ist beruflich als Fliesenleger tätig. Oder er schaut einmal nach, wo Osten ist und wie das Wetter auf Hawaii wird. Das ist ja alles möglich, und es verkürzt die Wartezeit beim Zahnarzt. Immer noch besser als das Lesen im Goldenen Blatt oder der Frau im Spiegel. Nur wenn der Mundbeschutzte die Spritze zückt oder den Bohrer oder sogar die Zange, dann ist Online nichts mehr zu machen. Da braucht man die Hände, um sich an der Kunststoffpolsterung des Behandlungsstuhls zu krallen. Angst vor Schmerzen lässt sich nicht wegdrücken.