Warten ohne Stuhl

Robert Hollenweg konnte gar nicht lesen, doch er vertiefte sich zum Schein in ein Buch. Er hatte Angst an der Bushaltestelle zu stehen und zu warten. Warten machte ihn verrückt. Beim letzten Mal hatte es ihn so verrückt gemacht, dass er die Kunststoffsitze an der Bushaltestelle kaputt getreten hatte, obwohl er das gar nicht wollte. Er wollte sich auch gar nicht ausziehen und den Kopf gegen das Schutzhäuschen aus Glas schlagen, aber das war ihm beim vorletzten Mal passiert und Robert konnte froh sein, dass er überhaupt noch allein mit dem Bus fahren durfte. Auf Bewährung, dachte er, denn das hatten sie ihm so eingetrichtert. Lies ein Buch, hör Musik, tu einfach irgendwas, bis der Bus kommt, aber mach nicht wieder Quatsch, ums Warten kommst du nun mal nicht herum, hatten sie ihm auch gesagt. Sie wussten doch, dass er nicht lesen konnte. Aber vielleicht war Lesen ja nicht mehr als konzentriert in ein Buch schauen und ab und zu eine Seite umblättern. Robert Hollenweg versuchte es mit dem Busfahrplan, der war auch nicht so schwer, und er hielt ihn sogar richtigrum. Robert konzentrierte sich so sehr auf das Lesen, um vom Warten nicht wieder verrückt zu werden, dass er gar nicht bemerkte, wie die drei fiesen Nachbarjungen ihn mit Taubenkot einschmierten. Sie wunderten sich selbst, dass er sich nicht rührte, selbst als sie den Busfahrplan zukleisterten, zeigte er keine Regung. Sie wussten ja nicht, dass Robert nicht lesen konnte.