Günter Krass: Die Turnstunde

Die Ringe greifen und eines Tages wiederkommen.

Diese Ringe sollte ich greifen? Wer waren die denn, die mir das befahlen? Sie sollten auf Knien rutschen und mich anflehen: Bitte nimm die Ringe! Turn uns etwas vor! Sie würden sich Splitter in die Haut rammen und aufjaulen vor Schmerz, denn der Parkettboden war alt. Er roch nach Bohnerwachs, uraltem Schülerschweiß und Urin. An dieser unwürdigen Stätte nun sollte ich die Ringe nehmen und der Sensationsgier der Mächtigen und der geifernden Lust auf Blut und Verletzung der schwachsinnigen Untertanen entsprechen? Nun, welche Wahl hatte ich? Erhobenen Hauptes würde ich ein letztes Mal gehorchen, würde den unsinnigen Befehl ausführen, würde das Buhen und Grunzen der Menge ertragen, würde den Mächtigen in die Augen blicken. Wenn sie in meinem Blick lesen könnten, dann wüssten sie: Eines Tages werde ich zurückkehren und ihr, die ihr mich demütigen wollt, werdet diese Ringe mit euren Zähnen traktieren, um nicht aufzuschreien vor Schmerzen , die ich euch bereite, ihr werdet die Ringe fressen, weil ich es will, ihr werdet auf dem Parkett herumrutschen und euch wäre egal, wie viele Splitter sich unter die Haut schieben und ihr werdet endlich wissen, warum dieser Raum nicht nur nach Bohnerwachs riecht.
"Weltmeier! Fang endlich an!", hörte ich die Stimme. "Los, Weltmeier, sonst ist das eine sechs!"
Das Rauschen in meinen Ohren schwoll an. Ich ging und griff das Holz. Sollten sie mich hochziehen bis an die Decke. Ich würde schwingen und schwingen und ihnen ins Gesicht lachen, wenn ich falle! Aber ich würde zurückkommen. Versprochen. Geschworen!