Günter Krass: Ostern

Es ist Ostern Wie jedes Ostern wird morgens gefrühstückt, zur gewohnten Zeit für Sonntage, um acht Uhr. Bodo ist nervös, denn heute kommt der Osterhase, der bunte Eier im Garten versteckt, die Bodo dann suchen muss.Wie jedes Jahr wird die Mutter den Tisch abräumen und der Vater wird sich entschuldigen, weil er irgendwelche Dinge ganz dringend erledigen muss, etwa in der Werkstatt oder im Keller.

Bodo hat eine Art Hausarrest, ein Ausgehverbot, weil der Osterhase nicht erschreckt werden darf und seine bunten Eier dann einfach wieder mitnimmt.
Mutter kramt mit dem Geschirr und der Vater ist verschwunden.
Bodo fragt sich, wie so ein Osterhase es schaffen kann, an diesem Morgen zwischen halb 9 und 10 allen Kindern Ostereier im Garten zu verstecken. Oder wie viele Osterhasen, wenn es mehr als einer wäre, mit dieser Aufgabe beschäftigt wären. Und überhaupt, wie schleppen sie denn das ganze Zeug? Es gab ja auch noch Schokolade und Zuckereier. Dann musste das Nestgras transportiert werden, das aus grüngefärbten, dünnen Holzstreifen bestand und das es merkwürdigerweise auch im Konsum zu kaufen gab. Genauso wie Heitmanns Eierfarben, mit denen jedermann Hühnereier färben konnte. Dass diese Waren nur für den Osterhasen bestimmt seien, kann sich Bodo nicht vorstellen, denn Osterhasen haben kein Geld und womit sollen sie bezahlen? Einen Osterhasen, der im Konsum einkauft, hatte noch niemand gesehen.
Bodo will nicht über diese Dinge nachdenken, aber die Dinge scheinen Bodo zu zwingen über sie nachzudenken. Jedes Jahr werden sie stärker. Diesmal kann er sie noch einmal niederkämpfen. Er will, dass alles so bleibt wie es ist.
Der Osterhase versteckt jetzt die Eier, legt sie sorgfältig ins Nestgras und wird von Bodo nicht beobachtet, weil der Osterhase sonst erschrecken und flüchten würde.
Warum bringt der Osterhase überhaupt Eier? In wessen Auftrag handelt er denn? Weihnachten waren solche Fragen einfacher zu beantworten. Aber mit Gott und Jesus  und allem hatte der Osterhase überhaupt nichts zu tun!
Schon wieder diese Fragen! Bodo versucht sich auf die gleich beginnende Suche zu konzentrieren. Wo lagen die Eier letztes Jahr? Bodo geht in Gedanken durch den Garten und sieht sich die roten, gelben, blauen und grünen Eier einsammeln. In der Hand hält er einen kleinen, geflochtenen Sammelkorb.
Plötzlich wird er in seinen Gedanken aufgeschreckt. Sein Herz klopft schneller. Der Vater ruft: „Bodo! Komm mal! Ich glaube der Osterhase ist da gewesen!“