Günter Krassl: Nikolausmasken

Am 6. Dezember kramten wir unsere Nikolausmasken hervor und die Kopfkissenbezüge, um uns für das jährliche Absingen des Liedes „Hier wohnt ein reicher Mann, der uns was geben kann, hoch soll er leben, hoch soll er sterben und das ganze Himmelreich erben“ vorzubereiten
Wir kannten und konnten nur dieses Lied zu diesem Anlass und es reichte immer vor den Haustüren, dass die  Menschen unsere Leinensäcke füllten.
Das Tempo war zügig, wir wollten keine Zeit verlieren, damit wir unseren festen Bezirk in zwei Stunden abgeklappert hatten.
Gut waren eingepackte Süßigkeiten; Obst in Form von unschälbaren, mit Kernen gespickten Apfelsinen oder krümelnde Kekse waren ärgerlich. Im Grunde hatte wir dann umsonst gesungen, vergebens, man enthielt uns unseren Lohn vor. Ein böser Traum konnte auch Wirklichkeit werden: Überreifes Obst war zerquetscht und bildete mit zerbröselten Krümelkeksen eine üble Mischung, die sich unter den Fingernägeln festsetzte, wenn man die Beute später sichten wollte.
So teilten wir die Menschen damals schon in Gut und Böse, in Großzügige und Kleinmütige: Wer etwas gab, sollte nicht die Reste vom Vorjahr bequem entsorgen, sondern gute, frische, eingepackte Leckereien in den Beutel tun, vielleicht auch etwas Geld, das konnte nicht verderben.
Die Kleinmütigen mit ihrem Obstkrümelschlamm konnten das Himmelreich auf keinen Fall erben.