"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Schütze den Sonderling


Nehmen wir einmal einen Jungen, der eine Biberfellmütze auf dem Kopf trägt, die er heiß und innig liebt, weil sie einmal sein Lieblingsbiber Bert war. Dieser Junge, der aufgrund seiner Weigerung, die Mütze in der Schule abzusetzen, bereits drei Klassenkonferenzen hinter sich hat und als notorischer Unverbesserling gilt, weil er sich weigert, wenigstens beim Morgengruß kurz die Kappe vom Schädel zu ziehen und dieses auch nicht am Grabe seines nach einem Nervenzusammenbruch verschiedenen Klassenlehrers täte, dieser Junge, der auch den Klasssenkameraden verleidet ist, weil man ihn verdächtigt, in seinem härenen Hut Kopfläuse in die 6b geschleppt zu haben, und natürlich gehänselt und ausgeschlossen wird, etwa mit Worten wie "Katzenkopp", "Schwanzhutträger" oder einfach nur "Dudoof". Selbst weisen Menschen fällt es schwer, solche Sonderlinge, die sich allen Annäherungsversuchen widersetzen, ins weite Herz zu schließen. Aber ist es nicht unsere große Aufgabe, gerade diesen Sonderling zu schützen, ihn vor der Respektlosigkeit und der Ablehnung der anderen zu behüten? Dass er sich Biberfett aus der Tube unter die Arme schmiert, mag seine ärgsten Feinde auf Distanz halten, wahre Herzensgüte nimmt an üblen Gerüchen keinen Anstoß. Und doch, wenn er dem zugeneigten Menschen "Hau ab , du Ratte!" entgegenschleudert und seinen Speichel hinterherfliegen lässt, dann ist es immer wieder schwer, diesen Menschen zu lieben. Der Sonderling ist die Prüfung, die uns auferlegt wurde und die wir bestehen müssen.
Daran sollen wir nicht verzweifeln und uns immer wieder auf einen Neuanfang besinnen. Manchmal hilft ein leise gezischtes "Katzenkopp! Du blöder Schwanzhutträger, ich hau dir gleich deinen Lausstall von der kretzebefallenen Schädeldecke!" und ein kurzes, knirschendes Mahlen mit den Molaren. Dann kehrt unser innerer Frieden zurück. Da, wo das Hinausgezischte gesessen hat, ist nun Platz für unsere grenzenlose Liebe.