Ich bin wund, na und

Wunden gibt es immer wieder, heißt es schon in einem alten Schlager. Jetzt, wo der November fast vorbei ist und die kurzen Hosen endgültig in den Winterschlaf gelegt werden, sind manche Wunden nicht mehr so offensichtlich wie das aufgeschürfte Knie oder der sonnenverbrannte Nasenrücken. Auch Wunden sind kälteempfindlich und scheu und freuen sich über die kalte Jahreszeit, die ihnen Rückzugsmöglichkeiten und Einkehr verheißt. Endlich verheilen sie nicht mehr so schnell, denn Heilung bedeutet Verschwinden, und auch Wunden wünschen sich ein langes Leben. Ohne Luftzufuhr und in eher feuchten klimatischen Verhältnissen versuchen Wunden ihre Lebenserwartung zu steigern. Sei also lieb zu deiner Wunde, die es sich für die kalten Monate in einer deiner Körperfalten gemütlich gemacht hat, halte sie warm und nass. Kinder handeln noch intuitiv richtig, wenn sie auch im Sommer, der für Wunden so bedrohlichen Jahreszeit, die Borken am Knie immer wieder aufreißen und die Wunden dadurch lange am Leben erhalten. Und wer ohne Kratzer und Verletzung durchs Leben stolpert, kann sich ebenfalls mit einem alten Lied trösten: Ich weiß, es wird einmal eine Wunde geschehn, ja, eines Tages kriege auch ich das heiß ersehnte Zeichen dafür, dass mein Blut nicht blau und meine Haut nicht aus Leder ist und dass ich das Wort Selbstheilungskräfte schon lange völlig bescheuert finde.