1. Advent

Warten ist eine Grunderfahrung in den nördlichen Ländern, die sich inzwischen tief im Erbgut eingenistet hat. Warten auf die Sonne, das Mitsommerfest, bezahlbaren Alkohol, den Lachs, der einfach nicht anbeißen will, die Fähre, die nur zweimal täglich den Fjord überquert - niemand muss mehr und länger warten als die Menschen in der Nähe des Polarkreises. In einer immer schneller werdenden Welt ist es auch den Skandinaviern nicht verborgen geblieben, dass andere Erdenbürger wesentlich weniger warten müssen und so regt sich Unmut über langsame Internetverbindungen, die plötzlich wichtiger erscheinen als landschaftliche Schönheit, und über die Tageszeitungen, die nicht am selben Tag, sondern immer mit 24 Stunden Verspätung ankommen. Im Advent, der Zeit des Wartens, ist es deshalb seit einigen Jahren eine beliebte Sitte, am 1. Adventssonntag die Tageszeitungen der vergangenen Woche zu verbrennen, wie hier in Norwegen. Jede dieser Zeitungen war verspätet angekommen und die Norweger wollen mit vielen kleinen Feuern auf ihr ständiges Warten aufmerksam machen. Eine Protestaktion, die die protestantische Kirche in Norwegen unterstützt, denn so besteht die Gelegenheit, den eigentlichen Sinn der Adventszeit wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Allerdings weist die Kirchenleitung darauf hin, dass sie den Alkohol, der bei diesen Adventsfeuern reichlich fließt, nicht bezahlt.