Buß- und Bettag

Sie brauchte ein Lutschbonbon, um ihre Stimme wieder einsetzen zu können. Doch das Telefonat eilte, so schnell wirkte die dumme Lutschpastille nicht, deshalb musste sie doch eine SMS schreiben, die Bonbonpackung noch in der Hand. Wenn die rechte Hand nicht warten kann, bis eingetreten ist, was die linke Hand angestoßen hat, dann ist das ein Zeichen für hektische Zeiten. Wenn die linke Hand den Löffel schon in der Hand hält, obwohl die rechte Hand noch den Kürbis zur Kasse trägt, macht man sich zusätzliche Probleme, weil keine Hand mehr zum Bezahlen frei ist. Vieles deutet darauf hin, dass das Rechte-Hand-ist-schneller-als-das-was-die-linke-vorhat-Syndrom vor allem ein weibliches Problem ist. Die rechte Hand trägt schon den Verlobungsring. Obwohl die linke noch im Singlechat rumtippt. Alle Finger der rechten Hand ergreifen beherzt den Schokomuffin, obwohl die linke Hand noch erstarrt auf dem vor Schreck geöffneten Mund nach dem Betreten der Waage liegt. Es ist fast ein Zwang, seit Multi Tasking als weibliche Tugend ausgerufen wurde, dass die eine Hand nicht weiß, was die andere schon geschafft hat. Wie gut, dass kirchliche Traditionen hier helfen können und wieder einmal unter Beweis stellen, dass sie keinesfalls altmodisch sind und nicht mehr in unsere Zeit passen: Besonders Frauen sollten den Buß- und Bettag als Chance verstehen, als Möglichkeit, ihre Hände wieder zusammenzubringen, sie aneinanderzulegen, sie gar zu falten. Sie sollen spüren: Wir gehören doch zusammen, wie müssen Hand in Hand arbeiten, eine Hand wäscht auch die andere, weißt du nicht mehr? Und wenn die eine zuckt, streichelt die andere beruhigend auf sie ein.