Spenden (Tonnes Tagebuch)


Liebes Tagebuch!
Heute habe ich einer Bettlerin einen Euro geschenkt. Ich war erst an ihr vorbeigelaufen, dann hatte ich aber so ein komisches Gefühl von aufwallender Mildtätigkeit, dass ich zurückgegangen bin und ihr das Geld in den Plastikbecher geworfen habe. Gelegt habe, Ich musst mich nämlich bücken, so als verneigte  ich mich vor ihrer Armut. Sie bedankte sich und ich blickte sie kurz an. Ach, blitzte es in mir auf, die Rumänen sind wieder da. Das ist doch eine Professionelle. Fast war ich geneigt, das Geld wieder aus dem Becher zu nehmen, dann aber dachte ich, dass auch eine Professionelle für ihr Geld arbeiten muss, denn das Wort professionell impliziert das schon.
Woher ich wusste, dass es eine Rumänin war, wusste ich auch nicht, aber höchstwahrscheinlich stimmte es, weil es meistens die Rumänen sind, wenn es nicht die Polen waren. Neulich sah ich ein rumänisches SUV-Fahrzeug neusten Datums in der Erotikzone von Hannover, der vor einem Glücksspielladen hielt. Es stiegen zwei dunklerhäutige Burschen aus, denen man nicht nachts begegnen möchte. Sie traten selbstbewusst auf den Bürgersteig, obwohl jeder weiß, dass Rumänien ein armes Land ist, und dass arme Leute eher unterwürfig auftreten. Ich fragte mich, was die hier wohl in der Erotikszene von Hannover machten und wie sie wohl diesen Wagen finanziert hatten? Ich jedenfalls wartete hier, weil in der Nähe ein Facharzt seine Praxis hat.
Die beiden sahen aber nicht aus, als wollten sie einen Arzt aufsuchen; sie wirkten recht proper und kerngesund.
Als ich ein paar hundert Meter weitergegangen war und meinen Euro schon fast vergessen hatte, saß da ein männlicher Bettler herum, der wie der Bruder der Rumänin aussah. Dem gab ich nichts , weil ich ja bereits dem ganzen Konsortium einen Euro hatte zukommen lassen. Mein Gefühl gelungener Mildtätigkeit wurde durch dieses Wissen von einem organisierten Bettlerring geschmälert. Das mag ich nicht. Wenn ich schon mildtätig bin, soll das Gespendete auch an die richtige Adresse.
Irgendwie war mir jetzt nicht mehr gut; dabei sollte Spenden, auch wenn es nur ein Euro ist, ein gutes Gefühl hinterlassen. Ich beschloss dann, die nächste knieende Frau zu übersehen und vielleicht einem Mann mit Hund, der auf dem Boden sitzt, etwas zu geben, denn niemand würde einen Hund aus Rumänien mitbringen, und ich könnte sicher sein, dass der Hund 20 Prozent meines Gespendeten abbekommt, sodass das Herrchen nicht alles in Alkohol umsetzt.
Bedingungslos Spenden, das ist das einzig wahre Spenden. Bedingungslos Spenden, das ist die einzige Bedingung, hahaha, musste ich lachen, und es ging mir schon etwas besser.
Ach, da fiel mir noch ein, dass Peter Maffay ja auch Rumäne ist, und was wohl aus seinem dicken Muttermal unter der Nase geworden ist. Wenn mir seine Musik besser gefiele, könnte ich jeden Tag Beifall spenden, der kostet nichts und da muss man auch kein schlechtes Gewissen oder ein mulmiges Gefühl haben. Leider gefällt mir die Musik nicht so gut.