Was Gärten ausdrücken

Haben Sie auch keine Lust, ständig im Garten herumzurennen, Kanten am Rasen abzustechen und Unkraut aus der Erde zu zupfen? Ständig auf der Suche nach Pflanzen zu sein, die vor allem aus Sicht der Nachbarn und Spaziergänger nicht in ihren und auch keinen anderen Garten gehören? Sind Sie es Leid, die Erdflächen zwischen den Büschen und Bäumen, zwischen Blumen und Bodendeckern mit der Feinharke zu bearbeiten, damit jeder sehen muss: Hier wird regelmäßig gearbeitet, hier herrscht Ordnung, nicht nur im Garten, sondern überhaupt. Der Garten als Abbild der Psyche, der geistigen Haltung, der politischen Einstellung. Wenn Sie die oben gestellte Frage bejahen, gehören Sie womöglich zu den Leuten, die alles Nichtbewachsene und vom Unkraut Bedrohte mit Rindenmulch zuklatschen. Der Gedanke liegt nahe: Hier wohnt ein fauler Hund. So wie der Arzt in der Regel mit Medikamenten Krankheitssymptome verdeckt, weil für eine genaue Diagnose die Zeit fehlt und das Wartezimmer voll ist, verdeckt der Privatgärtner seine Bequemlichkeit unter einer pseudoökologischen Variante der Gartenpflege. Gefaselt wird dann vom Mikroorganismen, die sich unter dem Mulch entwickelten, davon, dass das alles viel natürlicher sei und sich seltene Vogelarten ansiedelten, die hier Nahrung fänden. Außer geschwätzigen Drosseln, die andauernd das Rindenhack in den Rasen kratzen, kann der aufmerksame Naturfreund überhaupt keine Vogelarten erkennen. Selbst den selten gewordenen Spatzen ist es zu öde, auf Rindenmulch herumzuhüpfen. Rindenmulch ist und bleibt eine Illusion: Es wird suggeriert, der Garten sei gepflegt. Er täuscht aber nicht darüber hinweg, dass sich der Haus- und Gartenbesitzer lieber einen schönen Tag macht, als seinen schlecht verheilten Bandscheibenvorfall gründlich zu testen. Die begückte Halten bei der Gartenpflege ist eine Demutsstellung, das Dienen kommt hier immer wieder vor dem Verdienen. Sie erzeugt Bescheidenheit. Das geht der heutigen Zeit vollkommen ab. Die Menschen sind unbescheiden und schmeißen geschredderte Holzabfälle in ihre Gärten. Da ist Zubetonieren ehrlicher. Aber war es nicht immer so, dass Lüge und Faulheit Hand in Hand gehen? Quo vadis, Ziergärtner?