Es
gibt Menschen, die können wirklich auf einem Bein stehen. Auch wenn der
Volksmund sagt, man könne nicht, und gleichzeitig motivieren will, einen
weiteren Schnaps zu trinken.
Früher
war es so, dass jedem Besuch Alkohol angeboten wurde, das gehörte zum guten
Ton; alte Männer kamen mit stinkenden Zigarren in die Häuser, junge mit
Zigaretten, die etwas weniger stanken, weil sie kürzer und dünner waren.
Rauchen
und Alkoholtrinken galten als natürlich, so wie Atmen und Wassertrinken; selbst
Löcher in den Zähnen aufgrund ungebändigten Zuckergenusses waren normal,
komisch erschien es den Kindern, wenn keine Plombe ihre Löcher füllte, sondern
das Gebiss ohne - nach heutiger
Sicht - Makel war. Eher war das Blendendweiße ein Makel.
Wenn
ein erster Schnaps verköstigt worden war, gehört es sich für eine gute
Gastgeberin oder einen guten Gastgeber, einen zweiten anzubieten, der dann aber
auch signalisierte, dass der Besuch demnächst beendet sein würde, denn Alkohol
hin oder her, es war schließlich noch kein Feierabend, sondern vielleicht
früher Morgen, und das Tageswerk noch nicht vollbracht.
Einen
einzigen Schnaps getrunken zu haben, hieße aber eben, auf einem Bein zu stehen,
und das wollte man keinem Menschen zumuten, weil der sonst durch ganze Dorf
gehüpft wäre und dadurch jedem klar geworden wäre, dass eine normale
Gastlichkeit in jenem Haushalt, aus dem der Einbeinige gehüpft kam, nicht
gepflegt wurde.
Das
wollte sich keiner antun, denn man hatte nicht vor, die Dorfgemeinschaft zu
verlassen, oder gar als Außenseiter geächtet zu werden.
So
kam es fast wie Nötigung an, wenn jemand, der auf nur einem Bein stehen konnte
und wollte, zu einem zweiten Schnaps überredet wurde. Letztlich war es nicht
die Gastfreundlichkeit, die antrieb, sondern purer Eigennutz, und das ist
eigentlich auch verwerflich; wenn es aber keiner merkt, so bleibt die Welt in
Ordnung.