Männer im Alter - Ruhestand ein Problem?


Jeder weiß, dass Männer im Alter komisch werden können; das haben sie mit den Frauen gemein. Merkwürdigkeiten der Jugend und des Erwachsenseins schärfen sich und und stellt das bisherige Leben in Frage. Was haben wir falsch gemacht?, mag der gereifte Herr seine Kollegen, Kameraden und manchmal auch seine Freunde fragen. Im Leseraum von Seniorenpensionen für starrköpfige Männer kann man Gespräche belauschen, die Aufschluss über Krisen im vierten Drittel des Lebens geben.
Wieso falsch gemacht?, zischt Franz, ich habe nichts falsch gemacht. Is klar, das sage ich auch immer, bestätigt Boris halbherzig, und wenn, würde er es sowieso nicht sagen. Ich will ein Haus in Neuseeland bauen, wirft völlig unvorbereitet Gustav in die Diskussion. Wieso Neuseeland, ich dachte Neufundland?, fragt Boris konsterniert. Wo liegt denn Neufundland überhaupt? Ich kann doch kein Haus in einem Land bauen, das ich nicht kenne!, giftet Gustav, ich habe sowieso kein Geld dafür. Womit willst du denn dann bauen?, will Boris wissen. Eben, antwortet Gustav auf eine völlig andere Frage, und mit der Rente komme ich doch vorne und hinten nicht klar. Mach doch Schulden, ist doch völlig egal. In ein paar Jahren bist du tot, und dann brauchst du wenigstens nicht mehr abzuzahlen. Sehr witzig!, sagt Gustav und lacht überhaupt nicht. Neufundland liegt vor der Nordostküste Nordamerika, Hauptstadt heißt St.John's, platzt Franz dazwischen. Was soll das denn jetzt?, beißt Boris zur Seite. Gustav will doch gar nicht in Neufundland bauen. Na und?, fragt Franz, Neuseeland liegt jedenfalls da, nur mal so zur Information. Haupstadt von Madagaskar? Gustav und Boris schweigen, dann wie aus einem Munde: Ist doch klar, weiß doch jeder, der dich länger als ein halbes Jahr kennt.... Und?, bohrt Franz nach. Du glaubst doch nicht, dass wir das jetzt sagen? Wir sind ja wohl nicht mehr in der Schule. Gustav hakt nach: St.John's, St.John's.... was soll das denn, da fehlt doch was! Wieso, da fehlt nix, wird Franz deutlich, die Hauptstadt heißt St.John's, basta. Das ist doch Genitiv, kramt Boris sein Grammatikwissen hervor, da muss doch was kommen, das wär ja so, als würde eine Stadt Bernis oder Hansis oder Hasis oder Rosis heißen. St.John's Tranqualizers wäre vollständig. Wie kommst du denn jetzt auf Tranqualizer?Franz wird allmählich ungehalten. Ruhe jetzt, also, Hauptstadt von Madagaskar? Boris lässt nicht locker: Die habe ich gestern auf deinem Schreibtisch gesehen, eine 50erPackung. Da war nichts, ich habe überhaupt keinen Schreibtisch. Was ist das denn? Lass jetzt mal gut sein, ja? Sag ich nicht, sagt Gustav. Was?, fragt Franz. Ich auch nicht, ergänzt Boris. Was sagt ihr nicht? Wie die Hauptstadt von Madagaskar heißt. Dann eben nicht, Antananarivo heißt die, schießt es aus Franz hervor. Genau, sagt Gustav. Ganz genau, sagt Boris. Das wollten wir doch nur hören. Kann ja jeder sagen, kontert Franz. Eben, bestätigen die Kollegen.
Gustav dürstet es. Gibt's eigentlich ein Kaltgetränk? Glaub schon. Ist schon sechs? Kurz nach. Bei Paul gegenüber, wie immer. Dass die hier keine Minibar haben! Hab ich auch schon gedacht. Denk ich fast ständig, also, ab sechs. Kommt ihr mit? Unbedingt. Natürlich.
Nach dem ersten Hefe setzt die entspannende und beruhigende Wirkung eines Kaltgetränkes ein; die Welt inklusive Vergangenheit erscheint in neuem Glanz. Scheißtranqualizer!, sagt Franz, sollten liebern Hefe verschreiben. Paulaner auf Rezpt, das wär's. Genau, bestätigt Gustav. Ganz genau, nuschelt Boris, während die Lippen schon im Bier sind.