Ratgeber: Telefongespräche abbrechen

Also, der beste Tipp ist: Gar nicht erst ran gehen. Seit der Erfindung des Handys hat der ruhebdürftige Bürger eine Sehnsucht nach Unerreichbarkeit, nach einem ungestörten Essen und einem Tatort am Sonntagabend ohne Unterbrechung. Das Handy ist aus; das Festnetzteil schnarrt. Soll ich dran gehen? Diese Frage drängt sich sofort auf und das ungute Gefühl, irgendetwas zu verpassen oder hinterher wegen unterlassener Hilfeleistung enterbt zu werden. Die Nummer angucken! Gut, die ist nicht zu sehen; dann können das nur Tante Wilma, Horst, Klaus-Wilhelmoder sein. Oder die Telcom mit neuen supergünstigen Angeboten sein. Was tun?
Keine Hilfe in der Not des Zweifels. Die Neugierde gepaart mit Verantwortung und Sendungsbewusstsein(Diese Sendung will ich doch eigentlich unbeschadet gucken!) siegt; du hebst den Hörer ab. Ups-doch Tante Wilma. Das kann dauern, da ist Freddi Schenk längst an der Pommesbude am Rheinufer, wenn dieses Gespräch, nein, dieser Monolog beendet sein wird. Die Aneinanderreihung von Nebensächlichkeiten, Umwichtigem, Dorftratsch und Befindlichkeitsgejammere ist Garant für einen verdorbenen Sonntagabend. Nachts wirst du von der Hausstauballergie der Tante träumen und dich in asthmatische Panikzustände hineinträumen. Das geht nicht. Das müsste auch die Tante einsehen; morgen ist ein Arbeitstag, da musst du ausgeruht sein. Vor allem: Tante Wilma ist dir sowieso unsympathisch, erbtechnisch uninteressant, solange da noch ihr verlotterter Sohn mit seiner Thekenschlampe aus der Ferne lauert, der auf sicheren Abstand gegangen ist und sich erst nach dem Ableben der armenWilma ausschließlich ihren materiellen Gütern nähern wird. Da geht die Verwandtschaft entschieden zu weit. Wer nichts gibt, kriegt auch nichts!
Aber, das Gespräch ist begonnen, Tante Wilma rattert los, hat schon die ersten Hürden der Nachbarschaftsneuigkeiten genommen und ist richtig warm geworden für ein langes Gespräch.
Jetzt wäre guter Rat wichtig. Wie unbeschadet aus der Situation kommen? Du...äh..Tante..Wi...Wi...Da ist kein Dazwischenkommen.

Der regelmäßig gestalkte Telefonteilnehmer hat längst eine Klingel installiert, sie ist neben die Basisstation des Schnurlosteiles geschraubt, der dazugehörige Gong in nächster Nähe, unüberhörbar eben. Die drückst, der Gong ertönt. Du, Tante Wilma, mischt du dich in den Wortschwall, wir bekommen Besuch, der hat gerade geklingelt. Tante Wilma redet weiter. Du klingelst erneut, zweimal, etwas hektischer. Tante, ich...Du klingelst Alarm. Tante!, schreist du, ich muss zur Tür, unser Besuch ist da. Du bleibst freundlich im Ton, wirst aber stetig lauter. Ein drittes Klingeln signalisiert: Mach endlich die Tür auf, sonst wird der Besuch sauer. Tante...-Wilma ist gerade bei einer Blasenspiegelung, sicher unangenehm, ohne Frage, sagst du noch-.. Tante, du, mach's erst mal gut... ich melde mich. Du drückst auf Auflegen und atmest auf. Noch einmal drückst du den Klingelknopf, gehst zur Tür, und wunderst dich, dass niemand vor der Tür steht. Falscher Alarm, könntest du das nächste Mal Tante Wilma antworten, falls sie nachfragen wird. Lügen verschafft dir ein schlechtes Gefühl; lügen musst du nicht.

Wer war denn an der Tür?, fragt Rita aus dem Wohnzimmer, während Ballauf einem Verdächtigen die Handschellen anlegt. Wieso an der Tür?, fragst du. Es hat doch geklingelt!, nervt Rita weiter. Keine Ahnung, sagst du und holst noch ein Bier aus dem Kühlschrank.