Vom Lande: Der Brandplatz

Auf dem Lande hat sich der grüne Finger des Schöpfers gekrümmt und eine unendliche Fülle geschaffen. Der Betrachter schwelgt in dieser grünen Pracht, das Auge weidet sich. Es ist das manifest gewordene Paradies, ahnt der Mensch aus der Stadt in glückseligen Momenten seines Sonntagsausfluges. Politisch bleibt die Gegend schwarz und dem Zugriff der Seehundretter und Waldsterbenbetrauerer, die sich auch grün nennen, verwehrt. Der Grüne gehört in die Stadt.
Vor Jahren schon wurde das tägliche Abbrennen von Gartenabfällen und Hausmüll von Ökoumstürzlern diffamiert, als würde der Gartenbesitzer heimlich eine Hexe verbrennen; der eigene Brandplatz hat sich bislang gehalten. Er ist ein Statussymbol. So wie der Amerikaner darauf pocht, seinen Colt zu tragen, eine Büchse im Wohnzimmerschrank zu lagern und auf Leute, die sein Grundstück ungebeten betreten, wenigstens Warnschüsse abzugeben, so ist der Brandplatz die Freiheit des Landmannes. Hier wird so allerlei in Asche verwandelt; eigentlich verboten, wird hier mindestens einmal wöchentlich die persönliche Freiheit zelebriert, die Eigenständigkeit, die Autonomie. Zwar ist der Mensch auf dem Lande ein soziales Wesen, das sich auch dem Gemeinwohl unterordnet, nicht aber uneingeschränkt der Gemeindeordnung. Der Nachbar äugt verstohlen über die Grundstücksgrenze hinweg in das nahe Feuer, um festzustellen ob Autoreifen oder nachweislich grünbepunktete Objekte verfeuert werden, sagt aber an höherer Stelle nichts, weil er ja in seinem Recht, das ein oder andere missliche und entbehrliche Ding auf seinem Grundstück ebenfalls preiswert zu entsorgen, nicht beschnitten werden möchte.
Es ist dabei gar nicht der Sparfaktor oder die viel zu kleine Mülltonne, die zu dem offiziell geächteten Tun führt. Wer hat denn als Kind oder als Jugendlicher nicht gern gestickert, Püffchen oder Feuerchen gemacht, und es mit allem Brennbaren gefüttert? Im Jungen wie im Manne ist es doch auch die Erinnerung an die Altvorderen, die mit dem Feuersack am Gürtel durch die Eiszeit schlurften und dem Tode ausgeliefert waren, wenn die lebensspendende Glut verglomm. Das In-Gang-Halten des Feuers ist uns über Generationen weitergereicht als lebenserhaltender Akt, als ein Muss, als eine Notwendigkeit, die das Überleben sichert. Der Landmann nimmt diese Aufgabe ernst, wohl übersehend, dass die kostbare Glut in jeder Streichholzschachtel, in jedem Zigarettenanzünder und Gasfeuerzeug konserviert ist. Ein Riss, ein Druck, ein Schaben des Feuersteins mit dem Drehrädchen des Zippos, und schon ist Leben gerettet. Leider ist das nicht mehr zeitgemäß.

Unbewusst von der Überflüssigkeit des Feuerbewahrens in der heutigen Zeit wissend, sucht sich der Mensch einen anderen Sinn im uralten Ritual: Symbolisch wird aller Dreck, aller Müll, alles Überflüssige auf der Welt vernichtet; die Welt wird rituell gereinigt, um zu gesunden.

Dass Uli samstagabends Besuch hat und eine Wurst auf den Grill werfen will, ist nebensächlich. Auch der abgearbeitete Pit mit seiner Frau Anja möchten nur die Abendluft bei einem Gläschen Roten genießen. Was sie aber alle in die Nase bekommen, ist der Rauch einer Brand- Melange aus feuchtem Heu, PVC und Brandbeschleuniger in Form von Altöl oder eingetrockneten Lacken. Dagegen ist Onkel Reinholds Schweinstallgeruch nebenrangig. Unbedeutend. Die Brandgerüche schieben sich subtil in die Nase, denn um diese Uhrzeit wagt es niemand, ein großes Feuer zu machen, lediglich einen Schwelbrand hält jeder in Gang, der im Handumdrehen in das große reinigende Feuer verwandelt werden kann. Aber nicht muss.

Auch der Ortsvorsteher brennt seinen Kram ab. Und das ist sein gutes Recht.

Rolli ist schlau, auch wenn man ihm ein tiefergelegtes Fahrzeug zuordnen möchte und den dazu passenden IQ. Rolli verbrennt zur Straße hin, da, wo alle es sehen können, Naturabfälle, trockenes Holz, altes Heu, Stroh und ökologisch neutrales Material. Zur anderen Seite, nur dem querfeldeingehenden Hundebesitzer sichtbar, liegen Haufen von Plastikbindfäden, die Strohballen zusammengehalten haben, und Plastiksäcke, in denen Futtermittel oder Dünger gelagert waren. Normalerweise steckt Manni alles in Gelbe Säcke, bevor er es aufs Feuer tut; er hat aber heute vergessen sich neue zu besorgen.
Dunkler Rauch zieht an den Abendhimmel. Im Wilden Westen immer schon das Zeichen für Angriff. Griller und Rotweintrinker ziehen sich von der Terrasse zurück.
Uli brät seine Wurst in der Teflonpfanne.
Das ist sowieso gesünder.