Minden - Die Frisur sitzt...

Es ist einer von diesen Morgen, die eine
80 ooo-Seelen-Stadt zittern lässt. Der Himmel in unnatürlichen Farben gefärbt, die Wolken drohen und ein schwacher Lichtschimmer sagt: Die Sonne wird heute irgendwie aufgehen. Aber wird sie für uns sichtbar sein? Sturm über der Provinz! Jeder fasst sich sofort an den Kopf und prüft reflexartig, ob das Haarspray noch seinen Dienst tut, oder der fein ondulierte, toupierte und fixierte Kasten auf dem Schädel noch seine Form besitzt, ob die Stunde im Bad vor dem Spiegel vielleicht vergebenes Mühen war.
Windstärken bis 10 sind angesichts eines solchen Farbenspiels am Himmel zu erwarten. Alle Menschen, die auf eine gut sitzende Frisur angewiesen sind, gehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Es gibt keinen wirklichen Schutz; auch wenn die Werbung uns versprechen will, es sei mit einem speziellen Spray anders, und die Hände nach erfolgtem Auftragen einen filigranen Kunststoffkäfig ertasten, dessen Konsistenz verhärteter Zuckerwatte gleicht, bleibt immer eine Restangst: Wie komme ich unbeschadet in die Firma, in den Schlussverkauf, in den Supermarkt oder ins Finanzamt, um meine überfällige Steuererklärung abzugeben? Was wird mein Blind Date von mir halten, wenn der Sturm Löcher in meinen Kopfschmuck gerissen hat? Existenzielle Fragen. Keine Antworten. Oder vielleicht doch eine Lösung: Der Rechtsextreme ist in Bezug auf Wetter und Frisur schon einen Schritt weiter als die eitle Bevölkerung um ihn herum. Wenn die Haarlänge auf Null runtergeschnitten wird, so sieht das, besonders in Verbindung mit klobigen Stiefeln, ganz und gar nicht gut aus, aber egal, welcher Wind weht, welcher Sturm wütet - die Frisur sitzt. Das sollte zu denken geben.