Andi Doth: In Gesichtern lesen


Das steckt doch in unseren Köpfen: Das glatte, faltenfreie Gesicht ist das schöne Gesicht, denn es suggeriert Jugend, die wiederum Garant für Erfolg, Anerkennung und Liebe ist. Die Falte ist Symbol für Alter, Nutzlosigkeit und Abgeschobenheit, für Menschen, denen man Schmarotzertum eher zuordnet als Weisheit, von der die Jugend lernen könnte. Hätte die Wissenschaft mit der Entschlüsselung von Gesichtern und ihren Inschriften- das sind nämlich Falten- gekümmert, so bräuchten wir heute keinen aufwändigen Fahndungsapparat, um den Parasiten unserer Gesellschaft auf die Spur zu kommen. Die Kosmetikindustrie allen voran, aber auch die Abteilungen für jungerhaltende Medikamente und Wellness, für Schönheitsoperationen und ablenkenden Gesichtschmuck, die gesamte Fitnessmeschpoke, sie alle profitieren von diesem Wahn, von dieser Illusion, ewig jung bleiben zu können, ewig die glatte Unschuld auf dem Gesicht zu tragen, die Faltenlosigkeit hinüberzuretten, um zu sagen: Ich bin rein. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.

Ein Blick in die Gesichter unserer Zeit holen jeden zurück in die Wirklichkeit. Wenn Josef Ackermann nach gewonnenem Prozess sein fettes Grinsen aufzieht, so öffnet er praktisch das Buch seiner Missetaten: Ich habe euch abgezockt. Dummes Volk, mich Schlitzohr kriegt ihr nicht!Ich entlasse auch weiter Leute und scheffele Milliardengewinne. Seine unbehaarte Kopfoberfläche gliche einem Display, hätte man den ackermannschen Faltenwurf entschlüsselt. Sein üppiges Haupthaar sagt, dass der Mann einiges zu verbergen hat; dass er noch keinen Bart wachsen lässt, zeugt von einer gewissen Furchtlosigkeit und Überheblichkeit. Mich kann keiner erwischen, will er wohl sagen.
Schauen wir in die Poltik, nehmen wir Kohl und Strauß, konservative Poliker mit ordentlich Dreck am Stecken: Beide haben Faltenbildung an ihrem Körper und besonders im Gesicht nicht verhindern können; die Lesbarkeit der Lebensprotokolle aber haben sie intuitiv erschwert. Saumagen und andere fettreiche Gerichte sollten die Köpfe förmlich aufschäumen, um die Gesichtshaut zu straffen und die Falten auseinanderzuziehen. Hinter einem dicken Gesicht steckt immer auch ein dickes Geheimnis, mag ihre Devise gewesen sein.
Den Übeltätern kann man nur raten, essen, esse, essen, bevor der Inspektor oder gar der Staatsanwalt kommt. Den Bürgern bleibt der Abschied von der Illusion, Falten hätten irgendeine Bedeutung, die sie durchschauen könnten. Vor allem nicht in die Tiegel der Kosmetikindustrie fassen und sich die angeblich verjüngende Paste ins Gesicht schmieren! Damit macht jeder mit bei der großen gesellschaftlichen Lüge und rechtfertigt die Maskierung der Elite, damit diese ihre Schmuddelgeschäfte abwickeln kann. Falten sind in Ordnung. Es müssen nur die richtigen sein.