Meditationstagebuch: Die dicke Aishe


Irgendwie war ich eingeduselt und auf Stippvisite im Nirwana. Ich war völlig entspannt. Der Ansager auf der Meditationskassette  hatte so einen betulich-einlullenden Ton gehabt, dass ich schwebte.
Geh einmal indisch.
Ich wurde blitzschnell und lieblos aus dem Nirwana gerissen, zurück auf meine Unterlage, die ich vorhin spüren musste, und registrierte den Adrenalinausstoß: Gehe einmal indisch.
Ja, was wollte der Mann jetzt? Indisch gehen? War ich Ghandi? Und wenn, wie ging Ghandi denn genau?
Barfuß? In Klappsandalen? In weißes Linnen gehüllt, einen Schlaps über den Arm gelegt, was zwar lässig aussah, aber auch schwierig zu realisieren war, wenn man taillierte Hemden trug. 
Indisch gehen. 
Über mein intensives Nachdenken duselte ich wieder ein, bewegte mich Richtung Nirwana, kam aber nicht an.
Umarme die Aishe.
Ja, hallo? Die Aishe. Die Aishe war doch bestimmt aus der Türkei. Da umarmte man keine Frau ohne sie heiraten zu wollen. Ohne sie heiraten zu müssen. Da stand doch die ganze Familie daneben oder in einer halben Stunde auf der Matte.
Umarmst du Aishe, musst du heiraten, hat schon Manncousin aus Anatolien.
Ehrenmord fällt mir ein. Ich werd einen Deubel tun und jetzt Aishe umarmen. Vor allem: Was sagt Tanja dazu?
Umarme die starke Aishe. Umarme die starke und gesunde Aishe.
Ja und dann? Was macht dann Aishe und was die Familie hinter der Aishe?
Das war jetzt keine Tiefenentspannung mehr. Ein leichter Schweißfilm bildete sich auf meiner Stirn.
Ich stellt mir die starke gesunde Aishe vor: Dickes schwarzes Haar, zusammengewachsene Augenbrauen a la Theo Waigl, mächtige Arme, die jedem Mann den Atem nahmen, wenn man zwischen sie kam.
Geliebte Aishe, keuchte ich, das geht jetzt zu weit.
Dann riss ich mich in die bittere Realität zurück: Christof, hier sprach Christof Kurz-von Bündig, der alte Scharlatan aus Köln. Der Menschenflüsterer in hektischer Zeit.  Rheinischer Dialekt. Danke, Hirn, für deinen Spürsinn.
Indisch gehen, jawoll, ich will mal in mich gehen, Chef, kein Problem.
Dicke Eiche, deutsche Eiche! Natürlich, starke Eiche, dich will ich heiraten!
Und bei fünf bin ich wieder voll da im Hier und Jetzt und strahle mit der Sonne um die Wette. Ist gebongt, Chef.