Günter Krass: Was geschrieben werden muss

(mit preiswerter Tinte aus dem Discounterdruckerpatronenshop)

Warum verharren meine Finger, schreiben zu lange nicht
was offensichtlich und auf Parteitagen
trainiert wurde, an deren Ende wir als Verratene
allenfalls Stimmvieh sind.

Es ist das behauptete Recht des Mannes auf dem Plakat,
den man fälschlicherweise als Maulhelden deklamierte,
zu sagen, ICH liebe Kinder, besonders Jungs, und deshalb sitzt ein Kind
auf dem Plakat, das mich brav und verliebt anschaut,
als hätte ich ihm gerade eine Tüte Chips geschenkt,
als wäre ich nicht  der Mann, der böse Mann, weil nicht aus
dem liberalen Lager  stammend, wo die Guten sitzen,
die aber keiner haben will, weil sie Nösler und ähnlich heißen,
die ungewollt bleiben, obwohl mit uns verbündet,
als wäre ich nicht  der böse Mann, vor dem uns unsere Eltern immer gewarnt,
von dem sie sagten, nimm keine Tüte Chips
und setz dich nicht auf ein Plakat mit ihnen,
und niemals mit dem Mann, der eine tiefe Grube in seinem Kinn hat,
denn da lauert der Abgrund, das Vernichtende, das Verlogene,
denn er wird dich missbrauchen, um seine perfide Botschaft
zu verbreiten, unters Volk zu streuen,
um Macht zu erlangen über uns alle,
auch über Kinder, aus deren Augen er Politik machen will,
wie damals ein unbekannter Gott, der den Schädel eines Feindes in einen Trinkbecher verwandelte
und die Augen in Diamanten,
um damit seinen Wahlkampf zu finanzieren und seine Mätresse zu betören,
-ich verliere mich, ich, der ich dies schreiben, so viel Wut,
so viel heiliger Zorn-
Politik aus den Augen unserer Kinder.
Aus den Augen aus dem Sinn.
Ich liebe Jungs, sagt das Bild,
und das Grubenkinn grinst in die Kamera.
Der Junge will eine zweite Tüte Chips.
Wenn wir gewonnen haben, gibt es aber nur noch eine vom Discounter, ok?