Vorurteile aktuell: Angler

Petrus Heil schreibt:Ich habe schon viele Angler gesehen, aber nur ganz wenige, die etwas Essbares, abgesehen von einem hilflosen Regenwurm, an der Angel hatten. Angler sind arme Jäger. Das sind Männer, die durch die Jagdprüfung gefallen sind, weil sie nicht genug Geld hatten, um sich einen hübschen Drilling und zünftige Knickerbocker zu kaufen. Angler geben sich den Schein von innerer Ruhe, dabei sind sie in Wirklichkeit nervöse Hemden, denen in ihrer Freizeit nichts anderes bleibt, als der Hausfrau, die zu Hause schuftet, unter den Füßen weg zu sein, um sie in ihrer ungeteilten Tätigkeit nicht zu behindern. Es sind Männer, die nicht einmal Frauenarbeit erledigen können; die nicht einmal einen Teppich saugen können, weil sie das nicht lernen wollten. Um nicht stumpf vor dem Fernseher zu verdicken, suchen sie sich eine Tätigkeit, die irgendwie auf die Anfänge des menschlichen Lebens zurückweist: Sammler und Jäger seien sie alle gewesen. Sammler, Jäger und Angler. Der Angler ist ja auch Jäger, ein erfolgloser eben. Aber sein Tun erweckt den Anschein von sinnvoller Tätigkeit. Er gleicht dem Computerbegeisterten, der den ganzen Tag damit verbringt, eine sinnvolle Aufgabe für seine zahlreichen Programme zu suchen, und, da ihm nichts einfällt, ein Spiel nach dem anderen runterballert und CDs mit nackten Frauen auf den Bildschirm lädt.
Da im Urlaub kein Bedarf an Computerunterstützung besteht, muss die Angel her, die das Nutzloseste in der heutigen Zeit nach dem Mozarella-Schneider ist, und alle Beobachter glauben macht, hier werde sinnvoll geschafft.
Nervös kümmert sich der Angler um ein Aussehen voller Ruhe; für den Betrachter, der längst weiß, dass Angeln nicht mehr zeitgemäß ist, sondern ein Zeitverplempern für Leute, die nicht lesen können oder kein Kreuzworträtsellexikon haben, soll es nach Kontemplation aussehen. Der Angler nennt das dann Abschalten. Der Zyniker behauptet, dass der Fischfeind sein Gehirn außer Betrieb setze und diesen Zustand durch das Halten eines Stockes mit Schnur und Angelhaken kaschiere. Es sei ihm letztlich egal, ob am Ende etwas dranhänge oder nicht. Der Vorgang sei wichtiger als das Ziel. Hiermit nähere er sich der östlichen Weisheit, die ja auch empfiehlt, das Hirn zu Ruhe zu bringen und die hohe Kunst des Nichtdenkens zu üben.