Vom Lande: Horten an verschiedenen Orten

Der Neusiedler kennt Orte der Sammlung nicht, denn sein Grundstück ist zu klein. Jedes alte Haus, jeder Bauernhof hat einen Sammelplatz, eine Lagerstelle, einen Ort, wo der Mensch etwas horten kann, wo Ausgedientes vor der Verschrottung oder der Sondermüllentsorgung bewahrt wird.
Der Nichteingeweihte glaubt, es handele sich um einen Haufen Abfall hinter dem Schuppen. Der Kenner und feine Beobachter aber weiß, dass solche scheinbaren Privatmülldeponien in Wirklichkeit wohl sortierte und überlegt angeordnete Sammlungen von Dingen, von Gegenständen aller Art sind, die irgendwann einmal - wer weiß, was die Zeiten bringen?- zu irgendetwas nütze sein könnten. Niemand kann in die Zukunft schauen; aber in Demut soll der Möglichkeit gedacht werden, dass es uns schlechter gehen könnte, als es uns jetzt geht. Wer weiß, wozu das alles gut sein kann? Der Spötter raunt verhalten, dass es dem Dörfler schwer abgehe, loszulassen. Oder zu geben. Es genüge ihm, einmal im Jahr für die Kriegsgräberfürsorge 5 Mark, heute vielleicht 3€, zu spenden. Das Geben falle ihm schwer, so der Kritiker. Bevor der einen verrosteten Stacheldraht in ein Krisengebiet spendet, wo man ihn vielleicht dringend braucht, lässt er ihn lieber in der heimischen Zwischenlagerung verrotten. Niemand wisse ja wirklich, was Krisengebiete bräuchten. Mit Stacheldraht sei auch schon allerhand Unfug getrieben worden.
Des Neusiedlers Grundstück sieht rundherum geleckt aus. Die Bäume sind zwar mickrig, aber wachsen ordentlich an der Stelle, wo sie gepflanzt worden sind. Der Rasen wirkt durstig, denn der Lehmanteil des Bodens ist hoch. Die Pflanzen müssen gegossen werden. Das Unkraut ist entfernt. Das Grundstück ist gepflegt, was nicht wundert, denn es ist klein und überschaubar. Der Alteingesessene differenziert. Es gibt ein schönes Stück Garten für den Betrachter, der an Sonn- und Feiertagen die nachbarschaftlichen Beete begutachtet und die Wege auf- und abparadiert. Zur Straße hin ist gefegt. Der Hof nach vorn geschniegelt. Die Allmende fürs Auge, allen zugänglich, die das Bewusstsein der Nachbarn unterstützen soll: Hier wirkt eine ordnende Hand.

Hinter der Scheune beginnt das Private. Das Zusammenstellen der unterschiedlichsten Objekte. Hier steht ein Kunstwerk, das über Jahre, Jahrzehnte, wenn nicht über Generationen gewachsen ist. Wer erdreistet sich, einen einzigen Gegenstand zu verrücken oder gar zu entfernen? Die Bäume sind groß, die Pflanzen nur zur Straße hin mickrig, um deutlich zu machen: Hier wächst kein Unkraut. Der Rasen ist nach hinten hin satt, wird immer satter, durchwachsen von Wildkräutern auf fettem Mutterboden. Die Gehölze werden mächtiger und undurchdringlicher. Doch dann: Eine Lichtung! In Erfurcht erstarrt der Betrachter. Ein stählernes Bettgestell mit einer Egge, einem zerbrochenen Pflug und einem Fahrrad still vereint auf einem Haufen undefinierbaren Altmetalls. Das Allerheiligste! Der Betrachter verneigt sich und weiß, dass er hier unsichtbare Kräfte erzürnt, wenn er es wagen würde, auch nur einen Finger an das vor ihm Liegende zu legen.
Was ist, muss bleiben. Der Mensch soll es mehren. Das ist die Botschaft. Das ist Tradition.
(Zum Foto: Was tun, wenn der eigene Boden keinen Raum mehr lässt, um ein Kunstwerk zu bearbeiten? Bäume können Abhilfe schaffen.)