Vom Lande : Sauna

Das Schwitzen in einer Sauna und das damit verbundene nackte Herumsitzen oder Herumlaufen hat sich auch auf dem Lande aus der Tabuzone herausgewegt und ist im Zuge der Liberalisierung des eigenen Körpers und der manchmal angenehmen Möglichkeit, einen anderen nackten Körper zu beäugen, eine akzeptierte Freizeitaktivität geworden. Auf dem Lande gibt es Saunen selten; wenn, dann sind sie kleinen, privaten „Heilbad-Häuser“ angegliedert, deren Öffnungszeiten knapp bemessen sind, so dass man Mühe hat, durch das Zeitfenster hinein- und hinauszuschlüpfen. Großzügiger sind da Saunalandschaften in Hallenbädern oder Fitness-Centern. Um diese zu besuchen muss man sich in die Vorstadt oder in die Weitläufigkeit einer Kleinstadt bewegen. Im Zuge der allgemeinen Motorisierung kein Problem.
Richard ist der lauteste. Er sitzt in einer Gruppe von 4 übergewichtigen Männern, die sich wohl jede Woche treffen. Ihre Themen sind bezogen auf den Ort, an dem auch fremde Ohren mithören müssen : Allgemeines Geplapper über Fußball, Frauen, Saufen und Urlaub. Sex wird heute ausgeklammert, weil eine Frau im Raum ist, deren Blick vielleicht taxierend zwischen die Beine der Plaudernden geraten könnte. Sie lachen dröhnend. Richard ist der Wortführer. Bodo schwitzt mit, allein schon, weil er sich anhören muss, was Richard erzählt. Es geht um das stundenlange Sitzen in einem Bomber, der auf die holländischen Antillen fliegt, schön sei es da, müsse man einmal im Leben gesehen haben, wirft Ernst ein. Seine Frau schlafe um Punkt 6 Uhr ein und würde dann 12 Stunden durchschlafen. Alles staunt lauthals. Im Flugzeug? Oder jeden Abend? Im Flugzeug, sie würde dann von der Reise nicht viel mitbekommen. 4 Stunden Fliegen sei anstrengender als 9, weil es viel lockerer wäre, in die Karibik zu fliegen. Richard preist einen kräftigen Schluck als gute Möglichkeit, das durchzuhalten. Sowieso würde er jetzt drei Tage nach Schottland fahren; drei Tage schön durchsaufen. Da käme er mal vom Bier runter. Whisky, das wär’s. Nein, nicht in Cola oder mit Eis. Dann könne er ja gleich Cola trinken. Whisky dürfe man nicht panschen. Den müsse man pur trinken. Man müsse auch nicht so viel trinken wie bei Bier, streut Günther ein. Genau. Als er 16 war hat Bodo mit Freunden verglichen, was jeder getrunken hatte. Anerkennung bekamen die, die am meisten drin behalten konnten. Cord musste nach dem dritten Halben immer kotzen. Der war in punkto Mannwerdung in einem echten Hürdenlauf. Haha! Dröhnen. Richard erkennt nicht, dass auch andere Gäste in der Saunakabine sind; die schweigen; sie sind gezwungen zuzuhören. Der Calmud macht das schon richtig. Aber das Tor am Samstag, ich habe mich geärgert. Die kriegen doch nichts hin; Fachsimpeln. Die Übergewichtler wissen Tipps, was auf dem Platz passieren müsse, damit es bergauf geht. Ich hatte sogar Kopfschmerzen hinterher, als ich das gesehen habe. So habe ich mich geärgert, erzählt der grauhaarige Rainer noch unter der Dusche. Richard, der schlankste der Männerrunde, der aber durch prägnante Körperbehaarung und die etwas zu langen Arme etwas Schimpansenhaftes hat, von der lediglich der aufgedrehte Schnäuzer und die durch natürlichen Haarausfall entstandene Vorne-Kurz-Hinten-Lang-Frisur ablenkt, macht Crash-Schwitzen. Ohne Ruhepause hechelt er von einer Hitzekammer in die nächste, wohl um zügig an die Theke zu kommen. Seine Kollegen halten da nicht mit; Bodo ist froh, dass Richard einen anderen Rhythmus hat, vor allem, einen schnelleren. So ist die Saunalandschaft nach einer Stunde von ihm befreit, weil er wohl noch eine Trainingseinheit vor dem Schottlandaufenthalt durchziehen will.
Bodo geht in die Schweigekammer, den Ruheraum, wo nicht gesprochen wird und lauscht dem leisen Röcheln der Eingeschlafenen. (Zum Foto: Das Vorurteil, der dörfliche Mensch würde in seiner Freizeit nur Treckerfahren, gilt schon lange nicht mehr. Viele haben überhaupt keinen Trecker.)