Gedichte aus einem Wort: Georg Krakl - Häute (2013)

Häute
Hä?
     Ute?
H  u.

Krakl hat mal wieder mit Worten gegeizt. Aber aus einem Wort, hier dem "Häute", ein Gedicht zu machen, ist schon eine Herausforderung, vor allem, wenn die Buchstaben in der Reihenfolge stehen müssen, wie sie im Ausgangswort erscheinen.
Jeder Mensch hat eine Haut; mit dem Alter wird sie größer, der Mensch schrumpft vielleicht und versucht durch verstärktes Essen den organischen Überzug straff zu halten. Das gelingt nicht immer; dann werden aus Haut Häute, ein undifferenzierter Plural, der das Übergroße verdeutlichen soll, ohne Anstoß bei den Mitmenschen zu erregen.

Hierauf hebt Krakl in seinem Gedicht ab.
In den drei Zeilen spielt sich ein kleines Drama ab.
Der Frager  zeigt mit seinem Hä, dass er Ute, so die Angesprochene in Zeile 2, gut genug kennt, um so eine verwunderte und gleichzeitig respektlose Frage zu stellen. Hä?
Das fragt man nur, wenn man einen gewissen freundschaftlichen Bonus in der Vergangenheit erworben hat, der sich so einfach nicht verspielen lässt.
Hä, das kann doch nicht wahr sein, Ute! Wie siehst du denn aus? So labberig, so blättrig!
Das möchte man ergänzen, wenn man sich der Überschrift besinnt.
Ute sagt nichts.
Ute ist sprachlos. Sie hat wohl Grund dazu. Die Frage nicht unberechtigt, aber doch verletzend, enttäuschend, ohne Anstand. Ute fehlen darob die Worte.
Dem Frager, der plötzlich das Dilemma bemerkt, rettet sich in einem ebenso unpassendem Hu.
Oder besser: H u. Eine Leerzeile, die das Ausgangswort verlangt, prangert das Hohle dieser Äußerung an. H u. Der Sprecher ist hilflos, er findet keine Worte, die seine Unverschämtheit korrigieren könnte. H u. Er verstärkt durch diese ungeschickte Äußerung noch seine Untat.
Ute bleibt nicht viel. Sie ist alleingelassen mit ihrer großen Haut, die nicht mehr zu verbergen ist; vielleicht möchte sie aus ihr herausschlüpfen; das ist aber nicht möglich und so ist sie an das Kreuz des Alterns genagelt; die Mitmenschen, hier stellvertretend durch den  Sprecher dargestellt, helfen ihr nicht, lassen sie allein.
Tragik in drei Zeilen, die Krakl in jedes Hirn gebrannt wissen will, denn niemand entzieht sich dieses Vorgangs, und irgendwann ist jeder sichtbar "dran".