Wo ist die Mauer?

Es gibt Menschen, denen fehlt sie: Die Mauer, die damals Deutschland in Ost und West einteilte.
Ach, waren das noch Zeiten, als wir noch etwas zu wünschen hatten. Also wir uns danach sehnten, dass die Mauer fiele.
Jetzt ist sie gefallen und wir haben nichts mehr zu wünschen. Wenn sie doch wieder da wäre, ächzt es aus nostalgischen Gemütern.

Nichts ist so, wie es einmal war, wenn man es wiederholt. Alles bleibt anders, weiß auch Herbert Grönemeyer zu vermelden, wenn man seine nuscheligen Sätze richtig verstanden hat, und so bleibt auch die Sehnsucht nach einer sauberen Trennung zwischen Ost und West anders, wenn sie nur dem Zweck der Wunschvermittlung dient, wenn sie nur ein Gefühl produzieren soll, dass die Welt gesunden könne, dass sie heil zu werden in der Lage sei. Dass solche Mitbürger bei professioneller Lebenshilfe vorstellig werden sollten, liegt auf der Hand.
Bis zum ersten Behandlungstermin aber hat Düsseldorf jetzt eine anschmiegsame Mauer aus geschmeidigem Betongemisch wunschlosen Bürgern angeboten, die in Pelzmänteln gelangweilt das Rheinufer auf und ab promenieren.
Wer seine Sehnsucht, wenn auch nur ersatzweise stillen will, kann sich in Verlängerung der Promenierstrecke an dieses Bauwerk drücken und einen Moment genießen, der vermittelt, dass alles wieder wir früher und die Welt eine Welt der offenen Wünsche nach Fall der Mauer und nach Wiedervereinigung ist.
Das Absurde dieses endlosen Geschehens bleibt im Getümmel der Pelzmäntel unentdeckt.

Alles bleibt anders (anhören)